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Pressestimmen von Freitag, 19. Dezember 2003

zusammengestellt vonGerd Winkelmann18. Dezember 2003

Ex-SED-Chef Krenz auf freiem Fuß / Rosskur für die Bundeswehr

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Der frühere DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz ist wieder frei. Nach drei Jahren und elf Monaten verließ er die Berliner Haftanstalt Plötzensee vorzeitig. Wegen der Todesschüsse auf DDR-Flüchtlinge war Krenz zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Der MANNHEIMER MORGEN meint dazu an diesem Freitag:

'Natürlich hat das Berliner Kammergericht Recht mit seiner Feststellung, bei Egon Krenz bestehe keine Wiederholungsgefahr. Doch dieser Sichtweise steht der andere Krenz gegenüber. Der ewige rote Kämpfer, der die eigenen Vergehen nie eingesehen und seine Bestrafung nie akzeptiert hat. (...) Dass er jetzt auf freien Fuß kommt, wird einer wie er nicht der Justiz eines demokratischen Staates zugute halten, sondern als späte Gerechtigkeit für einen politisch Andersdenkenden feiern. Damit erfüllt Krenz nur zum Teil die Voraussetzung für eine vorzeitige Entlassung.'

Die BERLINER ZEITUNG schreibt zum selben Thema:

'Krenz ist auf Bewährung entlassen, wie der juristische Terminus heißt. Ein Dieb soll nicht mehr stehlen, ein Vergewaltiger nicht vergewaltigen und ein Betrüger nicht mehr betrügen. Und ein ehemaliger hoher Staatsfunktionär in einer Diktatur, der Verantwortung für politische Repression trug? Wie kann der sich bewähren? Vielleicht, indem er seinen Blick auf die Zeitgeschichte überprüft. Er könnte seine Memoiren überarbeiten, die er schon im Frühjahr 1990 unter dem Titel 'Wenn Mauern fallen' auf den Markt geworfen hatte. Er könnte dann bedenken, ob es reicht, sich für die Mauerschüsse zu entschuldigen, aber die Verantwortung für das, was er in einer Spitzenfunktion von Partei und Staat angerichtet hatte, zurückzuweisen.'

Hier noch ein Blick in die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'Erinnert sich jemand an Egon Krenz? Nur diejenigen, die vor 30 Jahren, begegnungsbesoffen bei den Weltjugendfestspielen in Ost-Berlin, 'Wir sind die Fans von Egon Krenz' skandierten? Oder nur jene, denen es eine Erleichterung war, als der Karriere-Kommunist 1997 für die Todesschüsse an der Mauer verurteilt wurde? Ist einer wie Egon Krenz im kollektiven Gedächtnis der Deutschen? Er sollte es sein, so wie sein Förderer Erich Honecker und dessen Vorgänger Walter Ulbricht. Sie brauchten Leute wie Krenz, den berufsjugendlichen FDJler, für den Aufbau ihres DDR-Machtapparats. Und sie sollten nicht vergessen werden, weil sie unter den Bedingungen des Kalten Krieges die Ideale von Antifaschismus und Sozialismus mit Gewalt zum bösen Zerrbild verzeichneten.'

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN kommentieren die geplante Rosskur für die Bundeswehr:

'Was die Bundeswehr so leisten muss - man muss sich Sorgen machen: Mehr noch als von Einsatz zu Einsatz hastet sie von Umbau zu Umbau, und irgendwann, so ist zu befürchten, geht sie vielleicht ganz aus den Fugen. Jedenfalls sollte man jetzt zurückhaltend sein bei der Bewertung des neuesten Konzepts. Es wird nicht das letzte gewesen sein, und längst haben wir gelernt, dass Theoriemodelle in der Praxis schnell an Tauglichkeit verlieren können. Dann wandern sie in die Ecke. Wie alte Knobelbecher.'

Die WETZLARER NEUE ZEITUNG schreibt dazu:

'So hilfreich der Sparzwang dabei ist, die Bundeswehr umzustrukturieren, mit Sparen allein ist es nicht getan. Bei einem hoffentlich baldigen Anspringen der Konjunktur im Lande und daraus erwachsenden höheren Steuereinnahmen muss auch wieder mehr Geld für die Streitkräfte abfallen. Und in einem Punkt sollte Struck bei der Umgestaltung der Bundeswehr auf gar keinen Fall tun, was nun kolportiert wird: nämlich die klassische Aufteilung in Heer, Luftwaffe und Marine aufzugeben. Es gibt wohl keinen anderen Berufsstand als den des Soldaten, der sich so in letztlich jahrhundertealte Traditionen eingebunden fühlt.'

Zum Schluß noch die Meinung der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG:

'Gewiss ist das eingeläutete Ende der traditionellen Teilstreitkräftestruktur - und damit auch der Befugnisse ihrer Inspekteure - ein logisches Resultat der Erfordernisse moderner Armeen mit der Vernetzung aller Fähigkeiten. Es bleibt aber unverständlich, warum sich die Bundeswehr-Führung samt Verteidigungsminister Struck um die letzte Konsequenz der Umstrukturierung drückt: Die Wehrpflicht für Männer zu beenden.´