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Pressestimmen von Freitag, 17.Mai 2002

zusammengestellt von Hans Ziegler 16. Mai 2002

Anti-Semitismus-Debatte in der FDP/ Rechtsruck in den Niederlanden/ Steuerausfälle in Deutschland

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In den Kommentaren der deutschen Tagespresse findet der Streit in der FDP über die Aufnahme des früheren Grünen-Landtagsabgeordneten Jamal Karsli große Beachtung. Daneben ist der Ausgang der Parlamentswahl in den Niederlanden ein zentrales Kommentarthema.
Schließlich werden auch die Steuerausfälle bei Bund, Ländern und Kommunen in den Blick genommen.

Zunächst zur FDP und ihrem Streit über die Aufnahme von Karsli, der Israel scharf attackiert hatte. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG nimmt die FDP in Schutz und schreibt:

"Missverständlich ist die Unterstellung, man könne in diesem Land mit Antisemitismus Wähler gewinnen. SPD und Grüne, die im Umfragenkeller sitzen, haben erkannt, dass sich ihnen da eine Chance bietet, eine ideologische Debatte vom Zaun zu brechen, die sich gar nicht verlieren lässt: gegen den Rechtspopulismus und -extremismus in Europa, zu dem die Freien Demokraten angeblich neigten. Doch es ist ein Vorwurf, der lächerlich ist. Bedauerlich dagegen ist es,
dass der Zentralrat der Juden seine Sorgen auf eine Art und Weise äußert, die parteipolitische Mühlen antreiben könnte."

Ganz anders sieht es die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Die Freiheit, braunen Unsinn zu reden, gehört selbstredend zur Meinungsfreiheit, die die Demokratie gewährt. Sie qualifizierte aber bisher nicht dazu, Mitglied einer demokratischen Partei zu werden. Das hat sich offensichtlich geändert. Man kann heute Mitglied der Freien Domokratischen Partei werden, wenn man, wie Karsli, von einer zionistischen Lobby in Deutschland und von einer zionistischen Weltverschwörung schwadroniert. Man hat dann nämlich einen FDP- Landesvorsitzenden Möllemann über sich, der den Bombenterror der Hamas in Israel gerechtfertigt hat - und der auf dem Bundesparteitag der FDP gefeiert worden ist, obwohl er auch dort weiterhin kein einziges Wort der Kritik an Arafat fand."

Auch die NEUE WESTFÄLISCHE übt Kritik an der FDP:

"Nicht Worte, Taten zählen. Der FDP hilft es nichts, sich von den unsäglichen Äußerungen ihres neuen Mitglieds zu distanzieren, sie muss Karsli rausschmeißen, wenn sie glaubwürdig bleiben will."

Themenwechsel. Zu den Wahlen in den Niederlanden schreibt DIE WELT:

"Wie eine Kolonne aufgereihter Dominosteine fällt ein europäisches Land nach dem anderen ins konservative Lager zurück. Sie tun es nicht mit dem müden Impuls einer normalen politischen Wechselmechanik, sondern mit der verblüffenden Wucht eines neuen Rechtspopulismus. Auf die neokonservative Ära der Reagans, Thatchers und Kohls folgte ein sozialdemokratisches Jahrzehnt, in dem Blair, Clinton und zuletzt ein nachzügelnder Gerhard Schröder einen Dritten Weg für die modernisierte, verbürgerlichte Linke suchten. Seit dem Wahlsieg George Bushs scheint das Pendel der politischen Grundverortung wieder zurück zu schwingen."

Ähnlich sieht es der MANNHEIMER MORGEN:

"Die Niederlande haben ein Zeichen gesetzt. Nicht etwa als Fanal für einen Sturmlauf rechtskonservativer Bewegungen innerhalb Europas, sondern als Alarmsignal für all jene Parteien, die Pädagogik mit Politik verwechseln und ihre Wähler entmündigen, anstatt ihnen aufmerksam zuzuhören. Holland ist überall. Unter der brüchigen Decke von Konsens und Harmonie schlummern latente Befürchtungen vor einer existenziellen Bedrohung durch Globalisierung und Werteverluste. Das ist die Kehrseite einer liberalen, offenen Spaßgesellschaft. Und dies erklärt auch, weshalb die Niederländer, denen es im europäischen Vergleich materiell sehr gut geht, nach rechts rücken."

Abschließend noch die STUTTGARTER NACHRICHTEN, die sich mit der jüngsten Steuerschätzung befassen:

"Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen. Nein, das ist kein Kommentar zum geschmacklosen Schröder-Titelbild einer Illustrierten. In illustrer Runde finden sich vielmehr Bundesfinanzminister Hans Eichel und alle seine Kollegen in den Ländern und den Gemeinden. Sie stehen nackt da, weil ihnen die Steuerschätzung einen deutlichen Einbruch der Einnahmen prophezeit. Denn Rezepte für den Ausgleich hat keiner, höchstens Sprüche. Der einfachste Weg wären neue Schulden. Doch der ist durch die Verpflichtungen in der EU verbaut. Zum Glück."