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Pressestimmen von Freitag, 16. Mai 2003

zusammengestellt von Gerd Winkelmann 15. Mai 2003

Eichels Steuer-Löcher / Powells-Berlin-Besuch

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Die Milliarden-Show geht weiter. Den Mittelpunkt in Leitartikeln und Kommentaren der deutschen Tagespresse macht an diesem Freitag kein anderes politisches Thema Hans Eichels Haushaltslöchern streitig. Die LÜBECKER NACHRICHTEN schreiben:

'Die Hiobsbotschaft der aktuellen Steuerschätzung, die der
Finanzminister gestern verkünden musste, war keine Überraschung. Im Monatstakt hagelt es schlechte Nachrichten. Das Wachstum sinkt, die Arbeitslosigkeit steigt, ein Aufschwung ist nicht in Sicht. Dass damit Steuereinnahmen fehlen und Löcher in die Sozialkassen gerissen werden, liegt auf der Hand. Überraschend war allein die Hartnäckigkeit, mit der sich Eichel weigerte, das zur Kenntnis zu nehmen. Sein Haushalt für 2003 hatte so viel mit Wahrheit und Klarheit zu tun wie das Hütchenspiel mit einem seriösen Geschäft. Schon seit zwei Jahren hat Eichel die Folgen des wirtschaftlichen Abschwungs ignoriert. Es ist schon auffallend, mit welcher Regelmäßigkeit Konjunkturprognosen und Steuererwartungen zu hoch ausfielen. Eichel hat damit seinen Ruf lädiert.'

Der BERLINER KURIER meint:

'Tage, an denen nichts, aber auch gar nichts passiert, sind nicht die schlechtesten. Von solchen kann Hans Eichel nur träumen. Gestern erlebte der oberste Kassenwart einen raben-schwarzen. Mit ihm ganz Deutschland. Steuerloch und schrumpfende Wirtschaft, Desaster im Doppelpack. Die, die zu ihm halten, sehen in Eichel den Überbringer schlechter Nachrichten, nicht den Verursacher. Für seine Gegner hat
der Zustand Deutschlands ganz klar Eichels Gestalt. Erstere wollen, dass er seine Ärmel hochkrempelt. Letztere, dass er seinen Hut nimmt. Wer 2004 eisern sparen kann, hätte es auch 2003 gekonnt. Wer einen
Etat aufstellt, darf nicht nur mit den günstigen Rahmenbedingungen
rechnen.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kommentiert:

'Noch ist Gelegenheit, mit beherzten Vitaminstößen Schlimmeres zu verhindern. Noch hat die Finanzpolitik die Kraft, mit einer verlässlichen Strategie, die auf Entlastungen statt auf immer neue Steuer- und Abgabenerhöhungen setzt, das Ruder herum zu reißen. Eichel hat die die Europäische Zentralbank zu Recht ermahnt, mit einer Lockerung der Zinszügel ihren Beitrag für einen Konjunktur- Aufschwung zu leisten. An ihm liegt es, mit gutem Beispiel voranzugehen. Nach dem Scheitern der Konsolidierungsversuche sollte auch der Letzte begriffen haben, dass sich die Löcher der öffentlichen Kassen nur stopfen lassen, wenn die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt.'

Noch ein Blick in die STUTTGARTER ZEITUNG:

'Was der Regierung fehlt, ist eine Gesamtstrategie. Die 'Agenda 2010' kann nur ein Anfang sein. Der Finanzminister ist entschlossen, alle Subventionen und staatlichen Leistungen auf den Prüfstand zu stellen. Das ist der richtige Weg, wenn nur dem Prüfen endlich Taten folgten. Auch in der Union mehren sich die Stimmen, die einen Abbau der Subventionen fordern. Im Einzelfall muss es dabei zwar Ausnahmen geben. Wichtig ist, solch ein Programm auf Jahre anzulegen. Denn so bekämen Private und Betriebe endlich Planungssicherheit. (...) Es setzt aber voraus, dass Regierung und Opposition endlich wissen, was
sie wollen.»

Zum Besuch von US-Außenminister Colin Powell in Berlin bemerkt die NEUE RUHR/NEUE RHEIN ZEITUNG aus Essen:

'Das einzige Verhältnis, das am Boden liegt, ist das zwischen Bush und Schröder. Und es ist kaum anzunehmen, dass der Powell-Besuch daran etwas ändert. Vielleicht gibt es ja noch einaml, wie weiland beim Nato-Gipfel in Prag, einen fotogenen Händedruck. Doch selbst, wenn es erneut zu solch einer Geste kommen sollte, eins ist sicher: Freunde werden die beiden wohl nicht mehr. Das ist auch gar nicht so tragisch. Denn es hilft zwar, wenn die Chemie stimmt, notwendig ist sie aber nicht. Um so wichtiger ist es, dass beide Seiten, die sich wegen des mannigfaltigen Beziehungsgeflechts - auch und gerade in der Wirtschaft - gar nicht die kalte Schulter zeigen können, künftig konstruktiv, ohne Emotionen zusammenarbeiten. Da ist es gut, dass erst einmal verbal abgerüstet wurde. Das lässt für die Zukunft hoffen. Die verschläft nämlich, wer sich allzu lange in der Vergangenheit aufhält.'