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Pressestimmen von Freitag, 16. März 2007

Walter Lausch15. März 2007

Geständnis von Scheich Mohammed / Urteil zu Anti-Nazi-Symbolen

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Das angebliche Terrorgeständnis von Scheich Mohammed bei seinem Verhör im US-Gefangenenlager Guantanamo und das Urteil des Bundesgerichtshofs zu Anti-Nazi-Symbolen sind die Themen dieses Blicks auf die Kommentarseiten der Freitagsausgaben der deutschen Tageszeitungen.

Die TAGESZEITUNG aus Berlin schreibt zu dem von der US-Regierung veröffentlichten Geständnis:

"Mag sein, dass Chalid Scheich Mohammed tatsächlich 'verantwortlich' ist für die lange Reihe von ausgeführten, versuchten und geplanten Anschlägen, zu denen er sich in seiner langen verlesenen Erklärung schuldig bekannt hat. Vielleicht ist er tatsächlich jenes 'Mastermind' des 11. September 2001, als den ihn die USA seit seiner Festnahme 2003 bezeichnen. Nur: Ob das so ist, wird die Welt nie erfahren. Denn die USA selbst haben alles dafür getan, dass dieses 'Geständnis' vor keinem ordentlichen Gericht der Welt verwendbar wäre."

Auch die Lüneburger LANDESZEITUNG hat Zweifel an einem rechtsstaatlichen Verfahren:

"Wahrscheinlich sagt dieses Geständnis mehr über den inneren Zustand der USA aus als über den der Terrororganisation: Aus dem Land der Gerechten droht eine Nation der Selbstgerechten zu werden. Selbst wenn Chalid Scheich Mohammed der gottlose Mörder ist, als den er sich selbst darstellt, bringt dieses Geständnis der Hypermacht nicht die verlorene Glaubwürdigkeit zurück. Geständnisse vor nichtöffentlichen Militärtribunalen und zensierte Protokolle entsprechen nicht den Standards, die die stärkste Demokratie der Welt erfüllen sollte."

Der WIESBADENER KURIER fordert:

"Selbstbezichtigungen wie Vorwürfe des Häftlings Mohammed würden wir gerne ebenso von einem Zivilgericht und in aller Öffentlichkeit überprüft haben wie die Anschuldigungen gegen die übrigen Gefangenen. Dass Washington sich dagegen weiter sträubt, verheißt nichts Gutes und lässt finstere Abgründe vermuten. Das schadet dem Ansehen der USA. Denn das ungute Rechtsverständnis der Regierung Bush hat eine ebenso kuriose wie bedenkliche Wirkung: Weniger der Terrorismus steht am Pranger als Washington selbst."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder spricht sogar von einer Farce:

"Von A bis Z soll sich die Nummer drei der El Qaida zu den Anschlägen vom 11. September 2001 bekannt haben. Und weil er sein Gewissen umfassend erleichtern wollte, gab Chalid Scheich Mohammed gleich noch die Vorbereitung oder Durchführung fast 30 weiterer Attentate überall in der Welt zu. Das geht jedenfalls aus einem Vernehmungsprotokoll hervor, das jetzt das US- Verteidigungsministerium veröffentlichte. Eine unabhängige Bestätigung dafür gibt es nicht. Zweifellos ist Chalid Scheich Mohammed ein großes terroristisches Kaliber. Aber dieses entschärft man nicht, indem man von A bis Z eine Farce inszeniert, die einem Rechtsstaat unwürdig ist."

Unmissverständliche Anti-Nazi-Symbole dürfen getragen werden. Dieses Grundsatzurteil fällte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Für die meisten Kommentatoren ist dies eine weise Entscheidung:

Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle schreibt:

"Verfremdete Nazi-Symbole wie zum Beispiel dick durchgestrichene Hakenkreuze öffentlich zu tragen, ist erlaubt. Wichtig ist nur, dass sie klar als Protest-Symbole erkennbar sind. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, in einer Demokratie seinen Protest gegen Rechtsextreme so ausdrücken zu können. Aber es brauchte erst ein Urteil des Bundesgerichtshofes, um das höchstrichterlich zu garantieren. Damit ist gerade noch so der Skandal vermieden worden, sich gegenüber Neonazis lächerlich zu machen und zugleich alle demokratisch gesinnten Gegner vor den Kopf zu stoßen. Während die Rechtsradikalen unter dem Schutz der Meinungsfreiheit mit dumpfen Parolen auftreten können, wären ihre Gegner in ihrem Protest beschränkt und dafür sogar noch mit Geldstrafen belangt worden."

Die ESSLINGER ZEITUNG meint:

"Was schon der erste Augenschein der Buttons und Aufkleber als einzig mögliche Erkenntnis hätte vermuten lassen, hat nun, nach langem Rechtsstreit und zahlreichen Solidaritätsbekundungen der politischen Prominenz für den Angeklagten, sogar das Plazet des Bundesgerichtshofs gefunden. Für ähnlich gelagerte künftige Fälle würde man sich wünschen, dass der gelegentliche Übereifer der Justiz schon vor der Abarbeitung durch mehrere Instanzen zum Erliegen kommt."

Die Rostocker OSTSEE-ZEITUNG merkt an:

"Niemand zweifelte bislang daran, dass jene, die zerbrochene, zerschlagene oder einfach durchgestrichene Hakenkreuze als Aufnäher an der Kleidung oder an Taschen tragen, nationalsozialistische Ideologien und Gewalttaten der Rechtsextremen ablehnen. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurden gerade sie häufig Opfer von Nazi-Überfällen. Dennoch verfolgten übereifrige Staatsanwälte Träger und Hersteller der Anti-Symbole wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Zeichen. Und Richter verurteilten sie zu saftigen Geldstrafen. Was für ein Irrsinn in einem Land, in dem immer wieder Zivilcourage in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus von den Bürgern gefordert wird! Jetzt haben wir es so, wie die Deutschen es mögen - schwarz auf weiß, von höchsten Richtern beglaubigt: Widerstand ist erlaubt!"

Das knappe Fazit der STUTTGARTER ZEITUNG:

"Es ist imponierend, wie energisch und trotzdem unaufgeregt der Bundesgerichtshof die Rechtstheoretiker am Stuttgarter Landgericht auf den juristischen Teppich zurückgeholt hat. Und mit welchem Vertrauen in die Abwehrkräfte der Demokratie. Wer künftig mit einem Anti-Nazi-Button demonstriert, ist vom Risiko der Strafbarkeit befreit. Das nennt man ein gerechtes Urteil für eine gerechte Sache."