1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Freitag, 14. November 2003

13. November 2003

Die Lage im Irak/ Vermittlungsausschuss berät Reformen/ Erstes deutsches Atomkraftwerk wird abgeschaltet

https://p.dw.com/p/4JoT

Das Pläne der USA für eine schnellere Übergabe der Macht im Irak, die Rolle des Vermittlungsausschusses in der deutschen Politik und das Abschalten des ersten deutschen Atomkraftwerks nach Vorgaben des Energiekonsenses beschäftigen an diesem Freitag die Kommentatoren deutscher Tageszeitungen.

Zur Lage im Irak schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"An der Sicherheitsfrage entscheidet sich die Zukunft des Iraks - und vielleicht einiges mehr. Deswegen werden sich die Truppen, die als Befreier gekommen und doch Besatzer sind, nicht Dispens von dieser Verantwortung erteilen können. Aus diesem Dilemma kommt man nicht so leicht heraus. Wie viel auf dem Spiel steht, das scheint man auch in Frankreich zu sehen. Wenn das französische Angebot zu einer umfassenden Zusammenarbeit sich nicht in der sterilen Forderung erschöpft, die Macht im Irak unter UN-Aufsicht zu stellen..., dann wäre das ein Schritt, die verlorene Partnerschaft wiederzubeleben. Weil Washington an dem Zerwürfnis mitschuldig war, sollte es das kindische Getue vom Bestrafen Frankreichs lassen. Die Lage im Irak erfordert die praktische Solidarität aller Bündnispartner."

Die Berliner Tageszeitung DIE WELT meint:

"Berlin und Paris hatten von den USA die schnellstmögliche Übergabe der Verantwortung an die Iraker gefordert - als ob das so einfach wäre. Nun wollen die Amerikaner damit, freilich unter anderen Voraussetzungen, beginnen - und Berlin muss sich nun zu seiner alten Forderung bekennen und deren Umsetzung ermöglichen, nicht um Washington einen Gefallen zu tun, sondern um weiteres Unheil abzuwenden und die Uneinigkeit der Europäer zu überwinden. Niemand kann es verantworten, den Irak seinen alten Dämonen zu überlassen. Und genauso kann es niemand verantworten, dass Europa in selbst verschuldeter Zerrissenheit bleibt."

Und in der DEISTER- UND WESERZEITUNG aus Hameln heißt es:

"Die USA wollen den Irak nun doch so schnell wie möglich loswerden. Das, was Bush noch vor kurzem abgelehnt hat, ist unter dem Eindruck des blutigen Alltags im Irak auch in Washington salonfähig geworden. Schließlich stelle man sich vor, im November 2004 müssten die amerikanischen TV-Sender und Zeitungen noch immer über Terroranschläge und tote Soldaten im Irak berichten kurz vor der US- Präsidentenwahl, bei der Bush wieder siegen möchte."

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat berät seit diesem Donnerstag über die Reformen, die die rot-grüne Koalition im Bundesstag beschlossen, in der von der Opposition beherrschten Länderkammer aber abgelehnt wurden. Dazu lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG aus München:

"Dies ist ein ganz normaler Vorgang im föderalen System. Trotzdem könnte man meinen, es geschehe derzeit Unerhörtes, Verwerfliches. Kommentatoren, Politologen und andere sprechende Köpfe reden von einer Geheimregierung, einem Nebenparlament, einer unerklärten großen Koalition. Mit der Wirklichkeit hat das wenig zu tun. Geheim bleibt in Berlin so gut wie gar nichts.... Der Bürger, so weit es ihn noch interessiert, darf beruhigt sein: Zeitungen, Radio und Fernsehen werden bis zum 17. Dezember so gut wie jede Drehung im nicht öffentlich tagenden Ausschuss berichten und analysieren."

Ganz anders die BERLINER ZEITUNG:

"Es geht also um wirklich Wichtiges. Manche sprechen sogar davon, es gehe um die Handlungsfähigkeit des Staates. Wegen der großen Bedeutung des Vermittlungsausschusses ist daher auch die Rede von einem Nebenparlament. Das ist eine sehr freundliche Umschreibung. In Wirklichkeit tagt hier ein Geheimgremium. Selbstverständlich bleibt Deutschland dennoch eine Demokratie. Aber eine mit einer verkommenen Verfassungswirklichkeit."

Das Abschalten des ersten deutschen Atomkraftwerks in Stade kommentiert das Düsseldorfer HANDELSBLATT:

"Aus heutiger Sicht ist es müßig, darüber nachzudenken, ob es möglicherweise in zehn bis 15 Jahren eine Mehrheit der Deutschen bedauern wird, aus der Atomkraft ausgestiegen zu sein - wir wissen es nicht. Mit Blick auf den notwendigen Neubau von Kraftwerken, auf die steigenden Preise für Gas und auf das Erreichen der Marktreife von Ökostrom-Technologien könnte es jedenfalls in zehn Jahren schwierig werden, den Ausstoß von Treibhausgas wie geplant zu senken. Möglicherweise plädieren dann ja Umweltschützer für den längeren Betrieb der letzten Atomkraftwerke. Daraus heute Forderungen für neue Kernkraftwerke abzuleiten bringt jedoch nichts - außer neuen Atomstreit."

Zusammengestellt von Gerhard M Friese.