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Pressestimmen von Freitag, 10. Februar 2006

Gerhard M Friese9. Februar 2006
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In Turin trifft sich seit diesem Freitag die Jugend der Welt zur 20. Winterolympiade. An guten Wünsche hat es nicht gefehlt, doch überwiegt in den Kommentaren deutscher Tageszeitungen die Kritik. Ein weiteres wichtiges Thema war die Entscheidung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung, zwar 2.000 Soldaten für die Fußball-WM abzustellen, nicht aber für Polizeiaufgaben.

Der NORDBAYERISCHER KURIER aus Bayreuth wünscht den Athleten in Turin:

"Möge der olympische Friede Bestand haben! Ein frommer Wunsch angesichts der Befürchtungen, die von islamistischen Terroristen und italienischen Globalisierungsgegnern geschürt werden. Erinnerungen an die gewalttätigen Exzesse beim G-8-Gipfel 2001 in Genua tragen ebenso wenig zur Beruhigung bei wie die Tatsache, dass Italien im Irak- Konflikt auf der Seite der USA steht. Die Gastgeber sind hoffentlich auf alles gefasst. Olympia kann so schön sein, wenn einzig und allein der Sport im Mittelpunkt steht und die fünf Ringe auch ein Symbol des Friedens und der Harmonie sind."

Von schön will die KÖLNISCHE RUNDSCHAU nichts bemerkt haben:

"Olympische Winterspiele in Turin, damit konnte man sich sechseinhalb Jahre lang anfreunden. Gelungen ist es nicht. Noch immer verbindet man mit der Stadt Industriekomplexe wie die Fiat-Werke, die schmuckarme, strenge Bauweise in der Innenstadt, tagelangen Nebel und von Juventus den unattraktiven Defensivfußball. Ski und Rodel, Biathlon und Bob, das assoziiert man noch immer nicht mit der piemontesischen Metropole."

Die HEILBRONNER STIMME merkt an:

"Olympia im Winter verkommt mehr denn je zu einem Sammelsurium an Weltmeisterschaften, die zufällig in einer Region stattfinden. Turin wird, wie Albertville 1992, zerrissene Spiele auf kleinen Inseln aus Eis und Schnee bieten. Dabei gaukeln die olympischen Ringe Verbundenheit vor. Olympia auf viele Orte verteilt - so verstreut lebt keine intakte Familie."

Die FULDAER ZEITUNG ergänzt:

"Und es geht es um Geld. Um sehr viel Geld. Mindestens 750 Millionen Dollar bringen die TV-Übertragungsrechte den Organisatoren, dem IOC und den internationalen Sportverbänden. Dafür ist man bereit, sich dem Diktat der Sender zu unterwerfen und ihnen die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen - sprich: Den Zeitplan fernsehgerecht aufzustellen, 46 der 84 Entscheidungen fallen nach 17 Uhr unter Flutlicht und sind Garanten für hohe Einschaltquoten in den besonders werberelevanten Hauptsendezeiten."

Zum Schluss die Stimme der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG zum Thema Sicherheit:

"Das Thema Sicherheit macht spätestens seit Salt Lake City 2002 dem Sport Konkurrenz. Turin setzt leider auch da neue Maßstäbe. Auf einen Athleten kommen sechs Polizisten... Das Schreckgespenst fundamentalistischer Anschläge geht um. Dem italienischen Militärgeheimdienst liegen angeblich Informationen über eine islamische Terroristenzelle vor, die Bombenattentate während der Spiele vorbereitet. Solche Nachrichten können die Freude schon trüben."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN kommentieren die Entscheidung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung, die Bundeswehr nicht für Polizeiaufgaben zur Verfügung zu stellen:

"Gleichwohl ist die Bundeswehr natürlich nicht überflüssig im Sicherheitsumfeld der WM. Die Bereitstellung von Amtshilfe-Maßnahmen samt Personal, so wie es jetzt geplant ist, macht Sinn und ist eine Regelung mit Augenmaß. Für Katastrophenfälle muss das Land gewappnet sein. Wenig sinnvoll aber erscheint es, wenn sich an jedem Uniformrock im Turniereinsatz gleich eine ideologische Debatte entzündet. Das gilt für beide Seiten für die Befürworter à la Beckstein, aber auch für die Bedenkenträger auf der Linken, die bei jeder Gelegenheit gleich eine Militarisierung der Gesellschaft beschwören."

Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf schreibt:

"Schon heute erlaubt das Grundgesetz, zur Verhinderung oder Bekämpfung von Katastrophen die Bundeswehr dort einzusetzen, wo der Polizei die Mittel fehlen. Es ist darum legal und sogar geboten, dass Awacs-Aufklärer den deutschen Luftraum überwachen. Nun aber das Grundgesetz zu ändern, weil die Fußball-WM ansteht, ist unverhältnismäßig. Wäre Deutschland tatsächlich nicht in der Lage, mit normalen Mitteln die Spiele auszurichten, dann hätte es wohl lieber auf sie verzichtet. Schäuble sollte sich für eine bessere Ausstattung der Polizei einsetzen - und aufhören, den Fußball politisch zu mißbrauchen."

Auch die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder begrüßt die konsequente Haltung des Verteidigungsministers:

"Damit erweist Jung gegen die Pressionen seiner Partei-'Freunde' der Bundeswehr einen guten Dienst. Wehrdienstleistende können nicht die Innenminister entlasten, die ihre eigene dafür prädestinierte Polizei mit Sparmaßnahmen an den Rand der Einsatzfähigkeit gebracht haben. Die Bundeswehr ist keine Ersatzpolizei und sollte eine solche auch nicht werden."

Und der MANNHEIMER MORGEN stellt klar:

"Aus guten Gründen zieht das Grundgesetz eine klare Grenze zwischen Polizei und Militär, und entsprechend unterschiedlich werden Polizisten und Soldaten auch ausgebildet. Wenn ihr eigenes Personal knapp ist, sollten die Innenminister nicht nach der Bundeswehr rufen, sondern neue Stellen bei der Polizei schaffen."

Und im Aschaffenburger MAIN ECHO lesen wir:

"Die Bundeswehr hat mit ihren wachsenden internationalen Verpflichtungen schon Probleme genug. Soll sie nun auch noch die der Polizei lösen? Franz Josef Jung, der neue Minister, hat eine salomonische Lösung gefunden: Die Bundeswehr ist bei der WM dabei - und irgendwie doch nicht. Besser kann man diesen Konflikt nicht lösen."