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Pressestimmen von Freitag, 05. Dezember 2003

zusammengestellt von Frank Gerstenberg4. Dezember 2003

Blockade oder Befreiung im Vermittlungsausschuss? / Bildungsstandards als Weg aus der Pisa-Krise?

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich jetzt schon mit dem Vermittlungsausschuss, in dem am 10. Dezember über die Reformen auf dem Arbeitsmarkt und in der Steuerpolitik entschieden werden soll. Anlass ist die Ankündigung von Hessens Minister- präsident Roland Koch, es bei der Steuerreform möglicherweise zum Konflikt kommen lassen zu wollen. Außerdem steht die Entscheidung der Kultusministerkonferenz für einheitliche Bildungsstandards an den Schulen im Blickpunkt.

Die tz aus München schreibt zur angekündigten Blockade im Vermittlungsausschuss:

"Regierung und Opposition scheinen wild entschlossen, das letzte bisschen Vertrauen, dass die Wähler in die Politik haben, im Streit um die vorgezogene Steuerreform auch noch zu verspielen. Edmund Stoiber und Roland Koch wollen die rot-grüne Regierung offenbar an die Wand fahren lassen. Und Kanzler Schröder fürchtet, dass er bei zu großen Zugeständnissen Ärger mit den Linken in seiner SPD bekommt; falls ein Kompromiss im Vermittlungsausschuss von der eigenen Partei abgelehnt würde, wäre dies wohl das Ende der Regierung Schröder. Also die üblichen taktischen Spielchen, an denen die Steuersenkung zu scheitern droht. Die Wahrheit ist: Die Politik insgesamt wird der Verlierer sein!"

Genauso sieht es die HEILBRONNER STIMME:

"Schuld sind natürlich immer die anderen. Der Hesse Koch baut sogar vor und meint, ein Scheitern sei besser als ein schlechter Kompromiss. Was für eine verheerende Einstellung. Scheitert das Vermittlungsverfahren, gibt es nur Verlierer: Das Land, die Wirtschaft, der Arbeitsmarkt, die Politik und alle Parteien. Das Vertrauen der Menschen in die Politiker würde dramatisch abnehmen, eine weitere Politikverdrossenheit wäre die Folge. Und die Probleme? Die würden weiter auf eine Lösung warten."

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg fragt:

"Kommt sie, oder kommt sie nicht? Die politische, die ökonomische und am Ende sogar patriotisch Überhöhung der orgezogenen Steuer- reform-Stufe 2005 gerät jetzt auch noch zur zweischneidige Schick-salsfrage, die über dem Weihnachtsfrieden hängt. Die Opposition spürt, dass sie in diesem Falle gegen die finanzpolitische Vernunft handeln und am Ende auch einem faulen Kompromiss zustimmen muss, will sie nicht die Prügel für weit mehr als den entgangenen Steuer-Gewinn einstecken."

Die LAUSITZER RUNDSCHAU warnt vor Aktionismus:

"Immer schön gelassen bleiben. Denn jetzt, wo der Vermittlungsausschuss langsam auf die Zielgerade einbiegt, werden die besonders großen Nebelkerzen von den Beteiligten geworfen. Nur übersehen die Protagonisten dabei leider etwas Wichtiges: Sie drehen weiter an der Schraube der Bürgerverwirrung - wer für was steht, ist doch angesichts des Sammelsuriums an Äußerungen für den Otto-Normal-Verbraucher schon lange nicht mehr richtig nachvollziehbar."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München möchte sich an keiner Kakophonie im Vorfeld beteiligen und erinnert an die Aufgaben eines Vermittlungsausschusses:

"Jeden Tag gibt es also neue Prognosen über angebliche Ergebnisse des Vermittlungsausschusses - über Ergebnisse freilich, die frühestens am 10. Dezember feststehen werden. Es ist dies nicht nur das Produkt eines Kaffeesatzleserei-Journalismus, sondern auch einer Politik, die verlernt hat, wozu ein Vermittlungsausschuss gut sein kann: Abseits der Öffentlichkeit, ohne Imponier- und Eitel- keitsgehabe, ohne die Zwänge also, die es beim öffentlichen Verhandeln gibt, sollen Gesetzesvorhaben gedreht und gewendet werden. So können möglicherweise Ergebnisse erzielt werden, zu denen die Parteien zuvor, im öffentlichen Disput, nicht kommen konnten."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder begrüßt den Beschluss der Kultusminister über einheitliche Bildungsstandards:

"Natürlich ist mit dieser Einzelmaßnahme noch nicht viel gewonnen. Die bildungspolitische Kleinstaaterei mit ihrer überdifferenzierten Schullandschaft, die in Zeiten der Globalisierung schon gar keinen Sinn mehr macht, wird damit längst nicht überwunden. Aber wenn das ein Anfang ist, mit einem System von Standards und Überprüfungen in verschiedenen Klassenstufen einen in ganz Deutschland verbindlichen Kanon von in der Schule zu vermittelndem Wissen zu schaffen, wäre das ein großer Fortschritt."

Der WESTFÄLISCHE ANZEIGER aus Hamm kommentiert:

"Zum Glück hat sich die Kultusministerkonferenz diesmal nicht von der gewohnt vielstimmigen Kritikerschar beeindrucken lassen und nahezu geschlossen einen der gravierendsten Einschnitte ins deutsche Bildungssystem beschlossen. Nun müssen die Schulen den Ansprüchen erst einmal gerecht werden können, finanziell wie personell. Dass dies angesichts leerer Kassen und hohem Frust- potenzial ausgemerzt werden kann, muss mindestens angezweifelt werden. Und doch ist zum jetzigen Zeitpunkt wohl nicht mehr drin. Deshalb: Respekt - ein wichtiges Ziel ist endlich formuliert."