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Pressestimmen von Donnerstag, 8. Juli 2004

Redaktion Martin Muno7. Juli 2004

Bericht des Bundesrechnungshofes/ Notstandsgesetzen im Irak/ Tod des österreichischen Präsidenten Thomas Klestil

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Die Kommentatoren befassen sich an diesem Donnerstag mit dem Bericht des Bundesrechnungshofes, den Notstandsgesetzen im Irak und dem Tod des österreichischen Präsidenten Thomas Klestil.

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER schreibt zum Bericht des Rechnungshofs:

"Normalerweise enthält sich der Bundesrechnungshof jeglicher Kritik an der Politik. Gestern hat Präsident Dieter Engels sich aber zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen. Als einer der von Amts wegen kompetentesten Finanzwächter im Lande hat er die wachsende Staatsverschuldung angeprangert und dargelegt, dass sich die Bundesregierung anscheinend nur noch mit Tricksereien gegen geltendes Recht die angeblich notwendigen Finanzmittel verschaffen kann. Ein Beleg dafür, wie ernst die Lage wirklich ist."

Die Zeitung DIE WELT meint dazu:

"Am ärgerlichsten an der öffentlichen Verschwendung von Steuergeldern ist die nonchalante Großzügigkeit, mit der die Politik seit Jahr und Tag darüber hinweggeht. Diese Erbsenzähler der Rechnungshöfe, sie stören doch nur bei einem generös-genialen Politikprogramm! Dabei sind all die sinnlos fliegenden Flugzeuge, zweckfrei angeschafften Computer und unkontrolliert vergebenen Investitionen Ausdruck ungebrochener Selbstherrlichkeit. Es geht nicht um Pannen - die passieren jedem. Es geht um systematisch falsche Entscheidungen, geboren und vorangetrieben nicht von überforderten Einzelpersonen, sondern von einem System, das vergessen hat, dass seine Macht nur geliehen ist."

Die in Berlin erscheinende B.Z. kritisiert:

"Alle Jahre wieder sagt uns der Bundesrechnungshof, wo Politiker und Beamte fahrlässig Geld ausgegeben, wo sie es gar sinnlos zum Fenster hinausgeworfen haben. (...) Die Rechnungsprüfer belassen es nicht nur beim Hinweis auf Fehler; sie machen auch konkrete Vorschläge, wie sich künftig Geld einsparen lässt. Auch das ist verdienstvoll. Und doch bleibt bei der jährlichen Vergeudungs-Statistik ein ungutes Gefühl zurück. Wir hören nichts von Strafversetzungen unfähiger Beamter, von Gehaltskürzungen oder gar Geldbußen. (...) So wichtig und richtig die Auflistung der öffentlichen Verschwendung ist: So lange keine Köpfe rollen, bleibt alles beim alten!"

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER geht auf die anhaltend prekäre Lage im Irak ein:

"Sicherheit ist das Hauptproblem der neuen irakischen Regierung. Vor allem auf diesem Feld erwartet die Mehrzahl der Iraker von ihr rasche Erfolge. Die meisten, ob Sunniten oder Schiiten, haben genug von Bomben und Selbstmordanschlägen, die stets und überall auch das Leben unbeteiligter Menschen bedrohen. Aber ohne einschneidende Maßnahmen ist dieses Problem nicht zu lösen. Die Notstandsgesetzgebung, die seit gestern in Kraft ist, kann deshalb auf breite Zustimmung rechnen."

Und die in Berlin erscheinende Tageszeitung TAZ prognostiziert:"

Fehlen die Instrumente, um es durchzusetzen, wird ein Notstandsgesetz schnell seine Wirkung verlieren und ins Gegenteil umschlagen. Statt Stärke zu beweisen, hätte Regierungschef Ijad Alawi dann aller Welt seine Schwäche demonstriert. Natürlich könnte er jederzeit die Hilfe der neuen US-Botschaft in Bagdad und der 130.000 verbliebenen US-Soldaten anfordern. (...) Alawis Problem dabei: Ein Hilferuf an die Besatzer von gestern würde den angeblich souveränen Regierungschef in den Augen der eigenen Bevölkerung gar nicht gut aussehen lassen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG würdigt in einem Nachruf den verstorbenen österreichischen Bundespräsidenten:

"Thomas Klestil hatte mit den austriakischen Seelenschwankungen zwischen Größenwahn und Kleinmut zu kämpfen, mit dem Drang, sich überall zu distanzieren oder irgendwo kritiklos anzuhängen. Sein Vorgänger Kurt Waldheim hatte dieses unselige Spiel verkörpert und sich gar damit profiliert, indem er zuließ, dass blinder Patriotismus jede vernünftige Debatte über Kriegsvergangenheit und Verantwortung für die Geschichte ausschloss. Klestil indes raffte sich gegen die Gefühlsmehrheit seiner Landsleute zum ersten Staatsbesuch in Israel auf. Er beförderte so den Diskurs über die Mitverantwortung von Österreichern für die NS-Verbrechen, für die man sich bis dato als unzuständig betrachtet hatte."