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Pressestimmen von Donnerstag, 4. März 2004

ausgewählt von Gerd Winkelmann3. März 2004

Lauschangriff vor Gericht / Kerry vor Präsidentschafts-Kandidatur

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Aus dem großen Lauschangriff wird künftig ein kleinerer: Das Bundes-Verfassungsgericht hat die akustische Wohnungs-Überwachung für teilweise grundgesetzwidrig erklärt und will die Gesetze bis Mitte 2005 geändert sehen. In den Kommentaren der deutschen Tagespresse stoßen wir an diesem Donnerstag auf viel Verständnis, wie etwa hier in der FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'Die Wohnung ist unverletzlich, lautet das schlanke Gebot, der restliche Text - 98,9 Prozent des Artikel 13 - handelt von der Einschränkung des ehrwürdigen Freiheitsrechts. Daran, und das ist die schlechte Botschaft, ändert auch das Karlsruher Urteil zum Lausch-Angriff nichts. Die Mehrheit des Ersten Senats hat sich nicht u einem Verdikt gegen die Grundgesetzänderung durchringen können, der vor sechs Jahren in ganz großer Koalition Unions-, SPD- und DP-Abgeordnete zustimmten. Verfassungswidrig ist demnach nicht der Artikel 13 selbst, der den Schutz der heimischen Intimsphäre zu einer Auslege-Ware herabgewürdigt hat. Sondern nur dessen konkrete Ausformung in der Strafprozessordnung. Die aber, und das versöhnt mit jenem halbherzigen Mehrheits-Tenor, wird den Gesetzgebern gehörig um die Ohren geschlagen.'

Im EXPRESS aus Köln heißt es:

'Für die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger muss der jüngste Spruch der Karlsruher Richter eine Genugtuung gewesen sein. Sie war aus Protest gegen das Gesetz zum Großen Lauschangriff bereits 1995 zurückgetreten und hatte zusammen mit zwei liberalen Freunden mit einer Verfassungsklage dagegen gekämpft. Damals ernteten sie von der Mehrheit ihrer Politiker-Kollegen bestenfalls mitleidiges Lächeln. Heute zeigt sich, dass das standhafte liberale Trio mit seinem Einsatz für die Rechtsstaatlichkeit richtig lag.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt zum Urteil aus Karlsruhe:

'Nun endlich versucht das Gericht, die Politik und den Gesetzgeber wieder den Wert der Grundrechte zu lehren. Es tut dies am Exempel der Unverletzlichkeit der Wohnung, indem es bestätigt, dass es einen unantastbaren Kernbereich privater Lebensführung gibt, den der Staat zu achten hat. Das Urteil räumt mit einem gefährlichen politischen Vorurteil auf: dass man Grundrechte klein machen muss, um Straftaten zu bekämpfen. Es wendet sich damit gegen den politischen Zeitgeist und gegen die Tendenzen aller neueren Sicherheitsgesetze. Es ist ein rechtsstaatlicher Imperativ.'

Hier noch ein Blick in den Bonner GENERAL-ANZEIGER:

'Der eigentliche Sieger ist der Rechtsstaat. Der Erste Senat musste zwei Rechtsgüter abwägen, den Schutz der Allgemeinheit vorwiegend vor der organisierten Kriminalität und den grundrechtlichen Schutz der Privatsphäre, in der das vertraulich gesprochene Wort in den eigenen vier Wänden ungehört bleibt. Zwar heißt Absatz eins im Artikel 13 des Grundgesetzes: 'Die Wohnung ist unverletzlich' , anschließend aber werden die Voraussetzungen ihrer Verletzlichkeit definiert. (...) Karlsruhe legte die Messlatte auf eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren Freiheitsentzug. Damit fallen mehrere bisherige Tatbestände wie zum Beispiel Scheck-Fälschung unter den Abhörtisch.'

Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG in Regensburg widmet sich der Entscheidung um die Präsidentschaftskandidatur der amerikanischen Demokraten:

'Zwischen Bush und Kerry droht ein Wahlkampf der erbarmungslosen Polarisierung: der rustikale Texaner gegen den noblen Ostküsten-Patrizier, der kurzbeinige Kumpeltyp, der bewusst sein Provinzler-Image transportiert, gegen den hünenhaften Weltbürger, der einen Großteil seiner Jugend in Europa verbracht hat, der Verfechter des Neokonservativismus gegen den Liberalen mit sozialdemokratischem Einschlag. Kein Hollywood-Regisseur könnte ein spannenderes Duell(...) inszenieren.'

Die MAIN-POST aus Würzburg sieht es folgendermaßen:

'Kerry ist sicherlich nicht der mitreißendste und charismatischste aller Kandidaten. Dennoch vereint er mehrere Vorzüge seiner innerparteilichen Kontrahenten: Er ist Ex-Militär wie Wesley Clark, liberal und an sozialen Werten orientiert wie John Edwards und ein kompromissloser Kämpfer wie Howard Dean, Kerry gilt als weltoffen und als erfahrener Außenpolitiker. Damit scheint er der ideale Herausforderer, der die nach seinen Worten rücksichtslose und arrogante Außenpolitik (...) ebenso glaubwürdig thematisieren kann wie die patriotische Pflicht, Amerika vor dem Terror zu schützen, und die Reform der Sozialsysteme.'