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Pressestimmen von Donnerstag, 31. März 2005

Hans Ziegler 30. März 2005

Bodenreform-Urteil / EU-Waffenembargo / Visa-Affäre

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In den Kommentaren der deutschen Tagespresse gibt es an diesem Donnerstag kein zentrales Thema. In den Blick genommen wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Bodenreform nach 1945 sowie das Bemühen des Bundeskanzlers, das EU-Waffenembargo gegen China aufzuheben. Schließlich ist noch einmal Außenminister Fischer und die Visa-Affäre ein Kommentarthema.

Zunächst zum Bodenreform-Urteil. Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf kommentiert das EU-Urteil wie folgt:

'Nicht gegen jedes Unrecht hilft das Recht. Das ist die Quintessenz des gestrigen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen Bodenreform. Es gibt keinen Zweifel, dass den allermeisten Opfern der sowjetischen Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg bitteres Unrecht widerfahren ist. Ihnen wurde die Existenz geraubt, nur weil sie einer bestimmten sozialen Klasse angehörten. Und als 1990 in Ostdeutschland Rechtsstaat und Demokratie Einzug hielten, half das den Opfern wenig: Sie wurden mit einem Bruchteil ihrer Verluste abgefunden, das geraubte Land behielt der Staat. Noch heute haben die ostdeutschen Länder Hunderttausende Hektar in ihren Büchern, die sie verscherbeln und so ihre Haushaltslöcher stopfen. Dies sei alles sehr bedauerlich, aber leider kein Menschenrechtsverstoß, urteilten die Straßburger Richter kühl und nüchtern.'

Die MÄRKISCHHE ODERZEITUNG schreibt:

'Die Bodenreform in der früheren Sowjetzone ist und bleibt schweres Unrecht. Mit der Vertreibung der Großland-Besitzer hat die spätere DDR sich letztlich selbst den meisten Schaden zugefügt, denn sie verlor auch Know-how, unternehmerische Schaffenskraft und Kapital mit Spätfolgen bis heute. Dass die Regierung Kohl nach 1990 erklärte, auch die Bodenreform zähle zu den Folgen des Zweiten Weltkriegs, die nicht mehr revidiert werden könnten, ist verständlich. Weil aber ein Drittel der Flächen beim Staat blieb, musste sich der Verdacht des Eigennutzes aufdrängen.'

Wenig glücklich zeigt sich der FRÄNKISCHE TAG aus Bamberg über das Bodenreform-Urteil:

' Die Junker - sie galten, um im kommunistischen Jargon zu bleiben - lange Zeit als Ausbeuter. Was sie aber, von Ausnahmen abgesehen, ganz bestimmt nicht waren: Nazis und Kriegsverbrecher. Und was sie auch nicht gewesen sind: Menschen, die kein Recht auf Eigentum haben. Ihre Welt ist Vergangenheit. Was nichts daran ändert, dass das Straßburger Urteil einen schalen Nachgeschmack hinterlässt.'


Themenwechsel und zur Tageszeitung DIE WELT, die sich mit Bundeskanzler Schröder und seiner Absicht befasst, das EU-Waffenembargo gegen China aufzuheben. Im Kommentar heißt es:

'Der Kanzler will, unter Führung des französischen Staatspräsidenten, mit dem Kopf durch die Wand und China Waffen verkaufen: Nicht so viele, dass das handelspolitisch von Bedeutung wäre, aber genug, damit die Chinesen, Meister des Re-Engineering, feinstes High-Tech-Gerät erhalten. Der Auswärtige Ausschuss des Bundestages hatte sich einstimmig dagegen ausgesprochen. Der Kanzler argumentiert jetzt mit der Verfassung: Die Bundesregierung, nicht das Parlament, sei für Außenpolitik zuständig. Im übrigen habe sich seit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens vieles verbessert...Die Deutschen werden für solche Großmachtgestik noch einen hohen Preis bezahlen.'


Abschließend zu Außenminister Fischer und der noch immer nicht durchgestandenen Visa-Affäre. Die STUTTGARTER ZEITUNG geht mit dem Außenminister scharf ins Gericht, wenn es heißt:

'Die Gründe für Joschka Fischers steilen Absturz sind vielfältig, lassen sich an einer Stelle aber zusammenfassen: Fischer ist ein Opfer seiner selbst geworden. Wenn er fällt, dann fällt er über seine Selbstüberschätzung. Über seine in Jahren gewachsene Überzeugung, ohne Selbstkontrolle, ohne Überprüfung des eigenen Tuns auszukommen. Er hat sich mehr und mehr selbst als Nabel der Welt verstanden und dadurch zwangsläufig unsensibel gemacht für das, was man politisches Tagesgeschäft nennt.'

Zum Schluß noch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, in der es zum Thema Fischer heißt:

'Noch gefährlicher wird es für den durch die Visa-Affäre angezählten Außenminister, wenn diejenigen abfallen, die sich bisher noch etwas von dem Grünen für ihre Zukunft versprechen. Wer will sich schon bei einem wahrscheinlicher werdenden Ministerwechsel als Sympathisant vormaliger Straßenkämpfer die weitere Karriere verbauen?'