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Pressestimmen von Donnerstag, 30. Juni 2005

Michael Wehling 29. Juni 2005

Schröders Vorgehen bei Vertrauensfrage // Rede von US-Präsident Bush zu Irak

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Die von uns ausgewählten Kommentare der deutschen Tageszeitungen beschäftigen sich an diesem Donnerstag mit den Beratungen des Bundeskabinetts über die von Kanzler Gerhard Schröder angekündigte Vertrauensfrage. Ein weiteres Thema ist die Grundsatzrede von US-Präsident George W. Bush zum Irak.

Zunächst zu deutschen Innenpolitik. Am Freitag will Schröder im Bundestag die Vertrauensfrage stellen - mit der erklärten Absicht, sie zu verlieren, um den Weg für Neuwahlen zu ebnen.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemerkt:

'Gerätselt wird weiterhin darüber, wie der Bundeskanzler der Koalitionsmehrheit am Freitag das Versagen des Vertrauens schmackhaft machen will, ohne sich zugleich als Spitzenkandidat für die angestrebte Neuwahl zu disqualifizieren. Nach den Begründungen, die er und Müntefering schon in Serie abgeliefert haben, wird es ihm freilich schwer fallen, hier für eine weitere Überraschung zu sorgen. Die Bundesregierung ist in ihrer gegenwärtigen Formation am Ende. Davon wird Schröder vor allem den Bundespräsidenten überzeugen müssen.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG notiert:

'Berichte, ... (Schröder) habe sich gegenüber seinen Ministern darüber lustig gemacht, dass manche seiner größten Kritiker plötzlich seine größten Unterstützer seien, wurden anschließend nicht dementiert. Die Vertrauensfrage ist damit beantwortet - nur in die falsche Richtung. Schröder zweifelt an seinen Abgeordneten, das Grundgesetz aber verlangt es gerade andersherum.'

Auch der MANNHEIMER MORGEN betrachtet das Vorgehen des Kanzlers kritisch:

'Sieht Schröder sich handlungsunfähig, dann müsste er die Konsequenz ziehen und zurücktreten. Nur so würde er den Weg frei machen für die verfassungsrechtlich sauberste Lösung, einen neuen Kanzler, beziehungsweise Kanzlerin zu bekommen oder die Wähler neu über das Parlament bestimmen zu lassen. Mit einem bitteren Abschied aber will der Niedersachse nicht in die Geschichtsbücher eingehen.'

Damit zum nächsten Thema. Der in Berlin herausgegebene TAGESSPIEGEL schreibt zur Irak-Rede von US-Präsident Bush:

'Vor einem Jahr haben die Amerikaner die Macht im Irak offiziell an die irakische Regierung übergeben. Und weil die Sicherheitslage seitdem nicht besser wird, mehren sich die Stimmen in den USA, die ein Abzugsdatum fordern. US-Präsident Bush hat Recht, wenn er solche Forderungen zurückweist. Weil ein Abzugstermin den Widerstand im Irak nur ermutigen würde. Und Irak den Terroristen zu überlassen, das kann sich der Westen tatsächlich nicht leisten. ... Man verbessert eine schon katastrophale Situation nicht, indem man die US-Soldaten abzieht und damit eine noch größere Katastrophe auslöst. Die USA haben sich die Suppe eingebrockt, nun müssen sie sie auch geduldig auslöffeln.'

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER erlläutert:

'Dass US-Präsident Bush gerade jetzt mit neuen Durchhalteparolen vor die Nation tritt, hat vor allem mit der Angst vor einer massiven Anti-Kriegs-Bewegung zu tun. Noch gibt es dergleichen in den USA nicht. Doch die wachsende Spannung könnte sich schon bald entladen. Gegen Massenproteste lässt sich ein Krieg ohne Erfolge nicht lange durchhalten. Das lehrt die Vietnam-Erfahrung.'

In der THÜRINGER ALLGEMEINEN aus Erfurt lesen wir:

'Bush weiß nicht weiter im Irak. Mehr enthielt seine Grundsatzrede nicht. Warum dennoch seine Landsleute durchhalten sollen, dafür hat der Präsident vornehmlich eine Begründung: den Terror vom 11. September. Damit wurde jedoch bereits begründet, auch ohne entdeckte Massenvernichtungswaffen, den Irak anzugreifen. 58 Prozent geben bei den Umfragen in den USA zwar noch an, die Truppen vorerst nicht abziehen zu wollen. Dies aber nur, weil das jetzt als Niederlage gelten würde.'

Ähnlich argumentiert der WIESBADENER KURIER:

'Augen zu und durch! Neue Antworten auf die bedrohliche Entwicklung im Irak hat der US-Präsident seinen Landsleuten nicht geben können. Die Grundsatzrede George Bushs offenbarte vielmehr ein bestürzendes Maß an Planlosigkeit und Realitätsverlust in der amerikanischen Politik. Ein den Fakten Entrückter: Als gäbe es nicht den Zusammenbruch der ganzen Kriegsbegründungen, beschwört der Präsident weiterhin den Irak als Haupt-Antiterror-Schlachtfeld nach dem 11. September.'