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Pressestimmen von Donnerstag, 28. Dezember 2006

Susanne Eickenfonder27. Dezember 2006

Somalia-Krieg / Beck-Vorstoß

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In Somalia haben Soldaten der Übergangsregierung und äthiopische Truppen ihren Vorstoß gegen die islamischen Milizen fortgesetzt. Die Islamisten räumten nach schweren Gefechten mehrere Ortschaften. Der Krieg in Somalia ist ein weiteres Mal auch Thema in der deutschen Tagespresse. Die ALLGEMEINE ZEITUNG in Mainz schreibt:

"Was derzeit am Horn von Afrika geschieht, ist nichts anderes als der Versuch der international agierenden und perfekt vernetzten Islamisten, nach Afghanistan, dem Irak und Palästina sich ein weiteres Feld abzustecken, auf dem sie einen Gottesstaat zu errichten versuchen. Die Äthiopier kämpfen mitten in Afrika nicht gegen die Menschen in Somalia, sondern gegen Tschetschenen, Pakistaner und Araber verschiedener Nationalität. Das zeigt mehr als alles andere, wer für diesen jüngsten Konflikt verantwortlich ist. Es ist das Netzwerk der El Kaida."

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND konstatiert:

"Die Islamisten werden sich nach dem Blutbad der vergangenen Tage erst recht weigern, Verhandlungen über einen Frieden in Somalia zu führen. Frieden und Stabilität sind jedoch die Grundvoraussetzung dafür, um ein weiteres Abdriften des Landes in das Netzwerk des globalen Islamismus zu verhindern."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in München plädiert für eine Vermittlungsrolle der Afrikanischen Union und Arabischer Liga und fährt fort:

" Die Islamisten müssten in einen neue Regierung Somalias eingebunden werden, dies böte die Chance, moderate Kräfte zu stärken. Nur ein Abkommen, das beide Seiten an der Macht beteiligt, öffnet Wege, um radikale Strömungen zu bändigen."

Die VOLKSSTIMME in Magdeburg weist auf die Interessen Äthiopiens in dem Konflikt hin. Zitat:

"Zunächst geht es den christlichen Äthiopiern darum, Somalia nicht islamistischen Eiferern zu überlassen. Zudem ist die stärkste regionale Militärmacht Äthiopien durch den Verlust von Eritrea zum Binnenland geschrumpft. Ein Durchmarsch an die Küste brächte Addis Abeba in eine strategische Spitzenstellung am Horn von Afrika."

Abschließend noch DER TAGESSPIEGEL aus Berlin, der die Position der Bundesregierung beleuchtet:

"Deutschland, das im Rahmen der Anti-Terroroperation 'Enduring Freedom' vor der Küste des Landes mit einem Flottenverband vertreten ist, hat sich bislang aus dem Konflikt herausgehalten. Hinter vorgehaltener Hand unterstützt es aber die euphemistisch 'international anerkannt' genannte äthiopische Marionettenregierung Somalias. Mit dieser einseitigen Parteinahme sollte jetzt Schluss sein. Verteidigungsminister Jung kann an einer Verwicklung in einen weiteren Bürgerkrieg mit eigenen Truppen vor der Türe kaum ein Interesse haben - ebenso wenig an der Aufgabe der Neutralität Deutschlands als möglicher Vermittler, übernimmt Berlin doch Anfang Januar die G-8- und die EU-Ratspräsidentschaft. Themenwechsel. SPD-Chef Beck hat neuen Reformprojekten der Großen Koalition eine Absage erteilt. Wenn die beschlossenen Vorhaben auf den Weg gebracht seien, habe man die Grenze der Zumutbarkeit erreicht, betonte Beck. Regierungssprecher Steg bewertete den Vorstoß als persönliche Meinung. Kritisch äußerten sich auch die LÜBECKER NACHRICHTEN:

"Das Dumme an Becks mitten ins publizistische Weihnachtsloch platzierten politischen Allgemeinplätzen ist, dass der SPD- Vorsitzende damit zur falschen Zeit das falsche Signal sendet. Just in dem Moment, in dem die Menschen langsam beginnen, die mit dem globalen Wettbewerb einhergehenden Herausforderungen ernst zu nehmen, tritt Beck ordentlich auf die Bewusstseinsbremse: Immer mit der Ruhe."

In der LANDSHUTER ZEITUNG/STRAUBINGER TAGBLATT lesen wir:

"Nachdem der selbst ernannte Arbeiterführer vom Rhein, Jürgen Rüttgers,...gepunktet hat, versucht Beck nun auf eine ziemlich durchsichtige Art und Weise, die SPD als soziales Kompetenzzentrum der Republik zu empfehlen. Gerade jetzt - die Lage am Arbeitsmarkt entspannt sich leicht, die Stimmung in der Wirtschaft hellt sich auf - zu der gar nicht guten alten Politik der ruhigen Hand zurückzukehren, wäre der falsche Weg. Die Koalition hat ihre Hausaufgaben noch längst nicht erledigt."

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG meint:

"Wenn jetzt Beck zur Luftgitarre greift und das Lied vom Ende der harten Reformen anstimmt, dann erweckt er einen völlig falschen Eindruck. ... Denn draußen kommt es so an, als müsse auch der zwischen Union und SPD verabredete Reformversuch nicht mehr konsequent zu Ende gebracht werden. Beck bereitet mit großem sozialem Tremolo den politischen Stillstand vor und schwächt die Koalition. So beginnen Ausstiegsszenarien."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG notiert:

"Es macht sich immer gut, wenn Politiker so tun, als ob sie wüssten, wo Otto Normalverbraucher der Schuh drückt. Doch in diesem Fall hat Beck offenbar nicht richtig hingeschaut. Die Anpassung der Sozialsysteme an die demographische Entwicklung wird von der angesprochenen Klientel keineswegs abgelehnt. ... Sie ärgert sich weniger über Reformen an sich als über Gesetze, die schon bei ihrer Verabschiedung alle Anzeichen von Unfertigkeit und Reparaturbedürftigkeit tragen."

Diesen Gedanken greift abschließend auch der MANNHEIMER MORGEN auf:

" Richtig, Kurt Beck, die Grenzen der Zumutbarkeit sind allmählich erreicht. ... Eine harte Zumutung ist aber vor allem das Handwerk der Großen Koalition, die es bis heute nicht geschafft hat, den Wählern die Sinnhaftigkeit geplanter Reformen zu vermitteln. Die Logik, dass ein Reformwerk nur dann gut sein kann, wenn alle Betroffenen aufschreien, erschließt sich wohl nur Union und SPD."