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Pressestimmen von Donnerstag, 27. Oktober 2005

Frank Gerstenberg26. Oktober 2005

Bundeshaushalt / Zapfenstreich bei der Bundeswehr

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Der Bundeshaushalt bleibt angesichts des Milliardendefizits und der verzweifelten Suche nach Einnahmequellen und Ausgabenkürzungen auch diesmal im Fokus der deutschen Tageszeitungen.

Der in Berlin erscheinende TAGESSPIEGEL stellt nüchtern fest:

"Das Ziel muss sein, mit der sozialen Marktwirtschaft in der Globalisierung anzukommen. Wenn Angela Merkel in knapp vier Wochen Kanzlerin wird, muss ein Plan erkennbar sein, der weit über die Agenda 2010 hinausgeht. Was also ist gerecht? Dass man die Renten kürzt? Oder eher, dass man denen, die Autobahnen nutzen, Gebühren abverlangt? Solche Fragen sind überall zu stellen, ohne Rücksicht auf Lobbyisten. Da darf man die Pendlerpauschale nicht retten, so hart das klingt. Wer pendeln muss, weil er an seinem Wohnort keine Chancen hat, weil er die Familie nicht zerreißen will, kann sich freuen, dass er nicht zu den fünf Millionen Arbeitslosen zählt. Und ein Wegfall der Eigenheimzulage schlägt zwar im ersten Jahr nur mit 200 Millionen Euro zu Buche. Aber der Traum vom Eigenheim ist kein Grundrecht."

Zur Diskussion um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer notiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Union und SPD übersehen, dass sie am Ende beide für die Politik der großen Koalition geradestehen müssen, die schwarze Kanzlerin ebenso wie der rote Finanzminister, und dass sie nur zusammen erfolgreich sein können. Sie übersehen vor allem, dass eine kräftige Erhöhung der Mehrwertsteuer hoch riskant ist, weil sie den Aufschwung gefährdet - selbst dann, wenn sie in Stufen erfolgt. Am Ende wird es nicht nur darum gehen, wer diese Steuererhöhung als erster vorgeschlagen hat, sondern auch darum, wer damit die Konjunktur ruiniert hat - und die Staatsfinanzen gleich mit."

Auch die Arbeitslosen haben die Politiker im Blick, wenn es darum geht, Geld einzunehmen. Die TAZ aus Berlin kommentiert derlei Überlegungen sarkastisch:

"Hartz IV ist zu teuer geworden, schuld sind die Arbeitslosen, die abzocken. An diesem durchsichtigen Theaterstück beteiligen sich mittlerweile sogar die Kronzeugen der Hartz-Abmilderungs-Ära: Am Mittwoch erklärte einer der drei Ombudsräte, der noch im Sommer etwa für eine Angleichung der Ost-West-Regelsätze plädierte, nun seien aber wirklich schärfere Kontrollen nötig. Wer so redet, riskiert, dass bald nicht nur die Zahl der Empfänger von Hilfe zur Debatte steht, sondern auch die Höhe des Regelsatzes noch einmal angegriffen wird."

Die Bundeswehr kann sich von Sparzwängen ebenfalls nicht frei sprechen - auch wenn bei ihrem 50. Geburstag weniger von den Problemen die Rede war. Dies übernimmt daher die LANDSHUTER ZEITUNG:

"Alles in allem hatte die Bundeswehr Grund genug, sich und ihre 50- jährige Erfolgsgeschichte mit einem Großen Zapfenstreich vor dem Parlament in Berlin zu feiern. Gleichwohl hat sie mit Problemen zu Kämpfen: Die Transformation zur modernen Armee des 21. Jahrhunderts gestaltet sich schwierig und wird durch die knappen Kassen erschwert. Es herrscht Unzufriedenheit in der Truppe. Häufige Auslandeinsätze und Standortschließungen sind für die Soldaten und ihre Familien belastend. Die Soldaten fragen sich, wie es mit ihnen und ihrem Arbeitgeber weitergeht, doch die Politik gibt kaum Antworten. Das von Struck angemahnte außen-, verteidigungs- und sicherheitspolitische Gesamtkonzept ist Rot-Grün der Bundeswehr und dem Steuerzahler schuldig geblieben. Die Festtagsstimmung ist also bei weitem nicht ungetrübt."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth erinnert an die vielfältigen Aufgaben, die die Bundeswehr im Laufe der Zeit zu schultern hatte:

"Sie hat, das darf man ihr zugestehen, die Zeiten des Kalten Krieges ebenso gemeistert wie den Sprung in einen völlig neuen Abschnitt ihrer eigenen Identität, den ersten Einsatz ´out of area`, außerhalb der NATO, 1995 in Bosnien. Natürlich gibt es bei der Bundeswehr auch vieles, was verbessert werden muss. Die Menschenführung gehört dazu, weil das System aus Befehl und Gehorsam, ohne das eine Armee nicht funktioniert, die Kraft der guten Argumentation nicht unbedingt benötigt. Die Zeiten haben sich aber auch hier geändert, der Ton auf dem Kasernenhof ist moderater geworden."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam befasst sich mit der Kritik an der Zeremonie:

"Wann immer der Große Zapfenstreich auf dem Plan steht, sind die Protestierer nicht fern. Wenn als symbolischer Ort auch noch der Berliner Reichstag auserkoren wird, lassen die Verweise auf Preußen, Militarismus und Hitler nicht lange auf sich warten. Doch wann, wenn nicht zum 50-jährigen Bestehen der Bundeswehr, sollte ein Platz gewählt werden, der die Verbindung von Parlament und Armee deutlich macht? Wenn es bei einer Armee fehl am Platze ist, eine Neigung zu martialischen Auftritten zu unterstellen, dann bei der Bundeswehr."