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Pressestimmen von Donnerstag, 26. Februar 2004

Redaktion hatte Stephan Stickelmann. 25. Februar 2004

Politischer Aschermittwoch / Vor dem Treffen von Schröder und Bush

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Die meisten Zeitungen kommentieren die Aschermittwochs-Reden der Parteipolitiker. Aber auch das Treffen von Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George W. Bush am Freitag in Washington findet Beachtung.

Zum ersten Thema: Die in Rostock erscheinende OSTSEE-ZEITUNG bemerkt:

"Wer es deftig oder holzschnittartig mag, ist beim Aschermittwoch gut aufgehoben. Die Mischung aus politischer Gaudi und Schattenboxen mit einem abwesenden Gegner bot zumindest einen gewissen Unterhaltungswert. Bedenklich ist, dass Stoiber mit seiner Totalablehnung einer türkischen EU-Mitgliedschaft den meisten Beifall in der Passauer Halle einheimste. Damit ist zu erwarten, dass die Union diese Karte im Wahlkampf auszuspielen gedenkt. Nicht zuletzt, weil Wahlkämpfe, die auf dumpfe Überfremdungs- und Überforderungsängste setzen, für die Union bereits erfolgreich verlaufen sind. Siehe die Siege von Hessens Regierungschef Roland Koch. Insofern macht manche deftige Aschermittwochsrede sehr nachdenklich."

Auf einen anderen Aspekt weist das HANDELSBLATT aus Düsseldorf hin:

"Die lautstarken Worte, die dort zwischen Passau, Biberach und Vilshofen, Düsseldorf und Demmin in Vorpommern gefallen sind, können eins nicht überdecken: Die Zustimmung zur politischen Elite schwindet derzeit in der Wahlbevölkerung in einem geradezu beängstigenden Ausmaß. Es ist vielleicht nur noch vergleichbar mit dem Vertrauensverlust, den viele Menschen nach dem letzten Aktiencrash an den Börsen durchlebten. Nichts oder kaum noch etwas traut man Politikern in Berlin und andernorts zur Lösung der anstehenden Probleme zu."

In eine ähnliche Richtung geht der Meinungsbeitrag der MITTELBAYERISCHEN ZEITUNG aus Regensburg. Das Blatt fragt nämlich:

"Braucht es in Zeiten wie diesen überhaupt derartige Polit-Folklore? Kann man Menschen, die allenthalben die immer enger werdenden Spielräume der Politik am eigenen Leibe spüren, mit derben Sprüchen eine Vision geben, wie die Zukunft aussehen könnte? Geht es um die Lufthoheit über den Stammtischen - oder um Konzepte, die auf einer möglichst breiten Basis aufgebaut werden sollten? Darüber müssten eigentlich diejenigen nachdenken, die am Mittwoch ihre jeweiligen politischen Gegner schlicht zu Deppen stempelten."

Und damit Themenwechsel: Angesichts der Kanzler-Reise zu George Bush heißt es in der PFORZHEIMER ZEITUNG:

"Noch vor einigen Monaten hatte der US-Präsident im Kreise seiner Vertrauten geächzt, er könne einfach nicht mit diesem Schröder. Tja, jetzt muss er. Mit dem Desaster im Irak hat er sich außen- und innenpolitisch in eine Sackgasse manövriert, aus der es ohne Hilfe des 'alten Europa' kaum einen Ausweg gibt. Deshalb kann Schröder mit breiter Brust das Weiße Haus betreten. Dennoch sollte der Kanzler im Hinterkopf behalten, dass er die neue Lage vor allem dem Dilemma der Amerikaner zu verdanken hat."

DIE OSTTHÜRINGER ZEITUNG - sie erscheint in Gera - prognostiziert:

"Dass noch eine Männerfreundschaft draus werden könnte, werden nicht einmal Schröder und Bush behaupten, wenn der Bundeskanzler am Freitag nach dem Streit um den Irak-Krieg erstmals wieder vom Präsidenten im Weißen Haus empfangen wird. Denn außer dem ausgeprägten Machtinstinkt haben beide Staatsmänner wirklich nichts gemeinsam. Doch es ist gerade dieser Machtinstinkt, der ihnen sagt, dass sie einander nützlich sein können. Bush hilft es im Wahlkampf, wenn er sich außenpolitisch umgänglicher und pragmatischer zeigt, und auch dem innenpolitisch angeschlagenen Schröder ist ein glanzvoller Auftritt auf internationaler Bühne gerade recht."

Und der KÖLNER STADT-ANZEIGER kommt zu dem Schluss:

"Deutschland und die USA trennt heute mehr als es verbindet. Mag die Liste der Gemeinsamkeiten lang sein, die der fundamentalen Unterschiede in der Weltsicht, im Menschenbild und im gesellschaftlichen Klima ist noch viel länger: Die Deutschen glauben heute vor allem an die Wirkungskraft internationaler Organisationen, die Amerikaner glauben an den Nationalstaat. Die Deutschen suchen einen Ausgleich zwischen Kapitalismus und Sozialpolitik, die Amerikaner vertrauen auf die Kräfte des Marktes. Deutschland ist ein säkulares Land, die USA sind ein religiöses Land. Die meisten Deutschen sind heute gemäßigte Pazifisten, die meisten Amerikaner glauben immer noch an den Krieg als Handlungsinstrument. Es wird Zeit, eine nüchterne und emotionslose Bilanz der deutsch-amerikanischen Beziehungen zu ziehen, Unterschiede klar zu benennen und Gemeinsamkeiten zu suchen."