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Pressestimmen von Donnerstag, 24.Januar 2002

23. Januar 2002

Skandal um NPD-Verbotsprozess/ EU droht Israel mit Protest

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Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse befassen sich an diesem Donnerstag mit dem angekündigten Protest der Europäischen Union bei der israelischen Regierung und mit dem aufgeschobenen NPD-Parteiverbotsverfahren.

Dazu schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Betrug? Genau dies. Das Bundesinnenministerium hat das
Bundesverfassungsgericht betrogen. Es hat den höchsten Richtern der Republik verschmutztes Beweismaterial vorgelegt. Es hat dem Gericht wichtige Informationen vorenthalten. Man mag zugunsten des Ministeriums davon ausgehen, dass nicht Vorsatz, sondern nur grobe
Fahrlässigkeit, vielleicht auch nur Dummheit im Spiel war.
Gleichwohl: Solche Dummheit ist unverzeihlich, der politische
Schaden furchtbar: Der Parteiverbotsprozess gegen die NPD ist diskreditiert."

In der FRANKFURTER RUNDSCHAU lesen wir:

"Nicht auf die Feinde unserer verfassten Freiheit richtet sich das Augenmerk, sondern auf jene, die eben diese Verfassung mit Diensteid zu schützen haben. Eine fatale Verschiebung der Gewichte, verschuldet durch sträflich leichtfertigen Umgang mit sensibler Materie. Von Schlamperei bis Katastrophe reichen je nach Interesse die politischen Begriffsbestimmungen. Die Pannentheorie - eigentlich nichts passiert, bisschen spät in Karlsruhe angerufen vielleicht - verkennt freilich die Wirkung des informationellen Fehlverhaltens. Die Bundesverfassungsrichter, die sich im Fall NPD ohnehin politisch unter Zeit- und Entscheidungsdruck sahen, fühlen sich düpiert, wenn sie nicht gar den Versuch einer Manipulation argwöhnen."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN kritisieren:

"Otto Schily, des Kanzlers wichtigster Mann wackelt. In England wäre der Minister schon fällig. Kein Kabinettsmitglied würde einen solchen Skandal überstehen. Allerdings ist Wahlkampf, das mag Schily retten. Natürlich wird man im Koalitionslager jetzt nicht müde, zu betonen, an der Natur der NPD ändere das alles nichts. In der Tat gibt es daran keinen Zweifel. Aber auf politische Wertungen kommt es nicht an. Es reicht eben nicht, das Gute zu wollen und das Verwerfliche aus der Welt zu wünschen. Wer die Schutzbereiche der Meinungsfreiheit, des Versammlungsrechts und des Parteienprivilegs durchbrechen will, braucht dafür eine unumstößliche Beweisführung."

Auch die WELT geht auf die Rolle des Ministers ein und meint:

"In der V-Mann-Affäre ist Otto Schily jetzt ganz persönlich in die Schusslinie geraten. Sein Ministerium hat in der Vorbereitung des NPD-Verbots katastrophal versagt, und der Minister versucht zu vertuschen. Er trägt damit nicht nur die politische Verantwortung, er hat es mit der Wahrheit wohl auch nicht so ganz genau genommen. (...) Und das in einem Verfahren, bei dem die Fundamente der Verfassung ohnehin auf eine harte Probe gestellt werden. Denn ausgerechnet in einem besonders heiklen Parteiverbotsverfahren hätte es besonderer Sorgfalt bedurft - aus Achtung vor dem Grundgesetz und aus Respekt gegenüber der Integrität unserer Demokratie."

Die BERLINER MORGENPOST kommentiert die Ankündigung der Europäischen Union, in Israel gegen die Zerstörung von palästinensischen Einrichtungen zu protestieren, die mit EU-Geldern aufgebaut worden waren.

"Die EU sorgt sich um etliche Millionen Euro, die sie in den
Nahost-Frieden investiert hatte und die nun durch die kriegerischen Ereignisse wie zum Fenster hinausgeworfen erscheinen. Die europäischen Steuerzahler haben einen Anspruch darauf, dass dies nicht einfach hingenommen wird. Kann Europa aber mit dieser Aufrechnerei Politik betreiben, um Israel von weiteren militärischen Schritten auf palästinensischem Autonomiegebiet abzuhalten? Kaum. Denn ein derartiger Einmischungsversuch wird nur von einer Konfliktpartei, den Palästinensern, Beifall erhalten - und ist damit von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der Brüsseler Ärger wird enden wie ein Sturm im Wasserglas."

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG lesen wir dazu:

"Die EU hat gewiß Grund, sich bei Israel über die Zerstörung von ihr finanzierter Projekte in den Gebieten unter palästinensischer Hoheit zu beschweren. Aber ebenso Grund zur Klage hätten die europäischen Steuerzahler, mit deren Gelder auch Dinge bezahlt werden, die weder dem Wiederaufbau noch der Versorgung der Palästinenser dienen, sondern die zu Zwecken mißbraucht werden, die dem Ausgleich nicht förderlich sind."