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Pressestimmen von Donnerstag, 24. Februar 2005

zusammengestellt von Gerhard M Friese23. Februar 2005

Bush in Deutschland

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Zentrales Thema der Kommentare deutscher Tageszeitungen ist an diesem Donnerstag der Besuch von US-Präsident George W. Bush in Deutschland.

Dazu schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Ein Sonderverhältnis der Art, wie es Bush senior vorschwebte oder wie es die USA gar zu Großbritannien und Israel pflegen, wird es zu Deutschland auf lange Sicht nicht geben. Dass Berlin und Washington überhaupt wieder Partner sind, ist aber schon mehr, als man noch vor zwei Jahren hätte erwarten können...Aber Bush braucht die Deutschen: ihre Soldaten in Afghanistan, ihren Kanzler als Mittler zu dessen Männerfreund im Kreml, vor allem aber ihr Gewicht in der EU. Europa soll helfen bei der Eindämmung des iranischen Atomprogramms... Eine diplomatische Offensive mit Hilfe der Europäer hat gute Chancen, dasselbe Ziel mit weit geringeren Mitteln zu erreichen: nämlich dass ein unberechenbares Regime an Atomwaffen kommt.

Die Düsseldorfer Wirtschaftzeitung HANDELSBLATT hält dagegen:

"Man sollte den Besuch und seine versöhnlichen Gesten und Sätze nicht klein reden. Wichtig ist nämlich, dass Schröder den Verdacht entkräftet, er wolle mit antiamerikanischen Parolen erneut innenpolitisch punkten. Wichtig ist zudem Bushs mehrfach vorgetragenes Eingeständnis, dass die USA die Unterstützung Europas nie ohne die deutsche Hilfe gewinnen können. Entscheidend ist zudem, dass beide Regierungen zurzeit in einigen wichtigen Punkten tatsächlich an einem Strang ziehen."

Die gegenseitige Abhängigkeit betont auch die PFORZHEIMER ZEITUNG:

"Auch wenn Bush vor allem erkennbar an seinem Bild für die Geschichtsbücher feilt, scheint bei ihm langsam die Erkenntnis durchzusickern, dass es ohne die Unterstützung der Europäer deutlich schwieriger wird, seine Ziele durchzusetzen. Hier liegt die Chance der Europäer. Jetzt oder nie überzeugen sie den US-Präsidenten von den Spielregeln der Weltgemeinschaft, nach denen andere Länder nicht nach Gutdünken mit Krieg überzogen werden dürfen. Aber nur wenn Europa mit einer Stimme spricht, hat dieses Unterfangen eine Chance. Weit über den gestrigen Tag hinaus ist hier dr Kanzler in der Pflicht."

Die BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN setzen auf die Lernfähigkeit:

"Nach dem Mainzer Charme-Gipfel bleibt die Hoffnung, dass der Schock des Irak-Traumas beiden Seiten gelehrt hat, dass sich eine derart massive Entfremdung nie mehr wiederholen darf. Amerika kann nicht seine besten Freunde düpieren und im Alleingang gegen das Völkerrecht ein ungeliebtes Regime stürzen, Europa kann sich nicht auf die Floskeln der Diplomatie zurückziehen und sich bei einem Scheitern wie ein Hase im Loch verstecken. Die Zukunft kann nur dem Miteinander, nicht dem Nebeneinander, erst recht nicht dem Gegeneinander gehören."

Auf eine neue Partnerschaft hofft die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder

"Eine verschworene NATO-Schicksalsgemeinschaft wie zu Zeiten des Ost-West-Konflikts wird es wohl nie wieder geben. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind die USA als einzige Supermacht übrig geblieben, die entsprechend ihren weltpolitischen Anspruch definiert. Nach dem Zerfall des Warschauer Vertrages hat sich die EU nach Osten ausgedehnt und beanspruch selbst eine globale Rolle. Was beide Seiten finden müssen, ist eine Balance aus Konkurrenz und Kooperation."

Ähnlich argumentiert die Bremerhavener NORDSEE-ZEITUNG:

"Auch wenn Bush und Schröder niemals Freunde werden - der atmosphärische Wandel ist spürbar. Die USA geben sich sichtlich Mühe, nicht mehr so ruppig mit ihren Verbündeten im 'alten Europa' umzugehen. Die früheren Differenzen sollen künftige Aufgaben, die gemeinsam angegangen werden müssen, nicht belasten. Sie bestehen zwar fort. Doch werden die gegensätzlichen Grundpositionen nunmehr respektiert und als gegeben hingenommen."

Und der MANNHEIMER MORGEN stellt fest:

"Dass sich spätestens seit dem deutschen Pochen auf einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat die Gewichte verlagert haben, akzeptiert George W. Bush jetzt dennoch. Das ist die Botschaft des Mainzer Gipfels. Amerika braucht Deutschland, auch ein aufmüpfiges. Deshalb will Bush beim Irak nicht mehr nachkarten. Und für die Zukunft bedeutet dies: Es wird immer wieder Streit geben - zumal in Mainz kein einziges Problem gelöst wurde. Aber dann müssen nicht wieder gleich die Wände wackeln."