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Pressestimmen von Donnerstag, 23.Mai 2002

Gerhard M Friese 24. Mai 2002

Themen: Bush-Besuch in Deutschland/ FDP-Affäre

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Der Deutschlandbesuch von US-Präsident George W. und die Affäre um den nordrhein-westfälischen Landespolitiker Jamal Karsli, der die Militäraktionen Israels mit Nazi-Methoden verglich, beschäftigen an diesem Donnerstag die Kommentatoren deutscher Tageszeitungen.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU befasst sich anlässlich des Bush-Besuchs mit dem deutschen Selbstbewußtsein:

"Es erweist sich, dass über den Umgang mit diesem Gast auch innenpolitische Signale gesetzt werden. Bei den Unionsparteien sind sie ärgerlich eindeutig: Gehe voran, und wir werden folgen, lautet ihre kaum mehr verklausulierte Botschaft. Bei SPD und Grünen bleibt hinter beredter Bush-Skepsis immer auch die stille Hoffnung zu spüren, die Amerikaner möchten doch bitte wenigstens nicht vor der Bundestagswahl gegen Bagdad losschlagen. Die rot-grüne Linie aber hat auf diese Weise Kontur bekommen. Ohne klare Belege für Iraks Involvierung in Terroranschläge keine Militäraktion? Bislang gibt es diese Belege nicht. Die Berliner müssen Bush deshalb offen sagen, dass sie die Beschränkung auf militärische Drohkulissen für grundfalsch halten."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München zum gleichen Thema:

" Das vermeintliche neue Selbstbewusstsein kontrastiert in Wahrheit mit dem beklemmenden Gefühl, der befreundeten Weltmacht auf Gedeih und Verderb folgen zu müssen. Dennoch ist es unehrlich, immer nur mit dem Finger auf Bush zu zeigen. Es gibt gute Argumente, den Irak nicht anzugreifen - doch es hilft nichts, den USA ständig zu unterstellen, sie würden blindlings losschlagen, nachdem sie in Afghanistan das Gegenteil bewiesen haben. Es gibt gute Gründe, eine politische Lösung zu propagieren - aber sie entheben Deutschland nicht der Verantwortung, jetzt schon darüber nachzudenken, was geschehen soll, wennn eine solche Lösung scheitert. Fragen an Bush sind gerechtfertigt - aber sie ersetzen nicht die Fragen an sich selbst."

Die Düsseldorfer Wirtschaftszeitung HANDELSBLATT schreibt:

"Kanzler und Außenminister schwankten auch schon vor der ersten Anti-Bush-Demonstration so heftig zwischen devoten Beteuerungen an den US-Präsidenten und bibbernden Mahnungen ans eigene Volk, dass man schon meinen könnte, sie verwechselten Demonstranten sui generis mit Aufständischen. Man könnte auch denken, die Regierenden schämten sich für ihre ungezogenen Schäfchen. ... Besser wäre es, wenn Kanzler und Außenminister selber mehr Souveränität im wahrsten Sinne des Wortes an den Tag legten und auch mehr Selbstbewusstsein. Ein gelassener Umgang mit der Demonstrationsfreiheit ist Ausdruck politischer Tradition, aber auch politischer Mentalität. Diese Gelassenheit fehlt uns mitunter. Vorauseilenden Gehorsam und Unterwürfigkeitsadressen aber fordert in den USA keiner von Schröder und Fischer. Schon gar nicht vom deutschen Bürger, der ja nicht im Namen der Regierenden auf die Straße geht."

Die Kritik an der Freien Demokraten geht weiter. Zwar hat der nordrhein-westfälische Abgeordnete Jamal Karsli auf die FDP- Mitgliedschaft verzichtet, bleibt aber Mitglied der Landtagsfraktion.

Dazu schreibt der Bonner GENERAL-ANZEIGER:

"Mitglied Nein, Abgeordneter Ja - eine saubere Lösung ist das nicht. Karsli darf sozusagen mit halber liberaler Stimme sprechen. Die ganze Aufregung hätte sich die FDP ersparen können, wenn Möllemann nicht derart schnell vorgeprescht wäre. Die noch vorletzte Woche vor Freude und Siegeszuversicht strahlende FDP hat einen hausgemachten kräftigen Dämpfer versetzt bekommen."

Ähnlich äußert sich die BERLINER ZEITUNG:

"Karsli in der Partei - Nein. Karsli in der Fraktion - Ja. Möllemann will weiter mit ihm Politik machen. Westerwelle will mit Karsli nichts zu tun haben. Es könnte sein, dass die FDP im Herbst Regierungspartei wird und Guido Westerwelle der nächste deutsche Außenminister. Für diesen Fall war die Geschichte der vergangenen Tage allerdings lehrreich. Jeder weiß jetzt: Die Richtlinien der FDP-Politik macht nicht der Parteichef. Am Steuer des Guidomobils sitzt Jürgen Möllemann."


Die Münchner ABENDZEITUNG kommentiert die Rolle eben dieses Jürgen Möllemann:

"Möllemann ist derart resistent gegenüber besseren Einsichten, dass man hinter seinen Ausfällen gegen Israel und den Jüdischem Zentralrat durchaus eine Strategie erkennen kann. Er legt es offensichtlich darauf an, die fixe Idee von 18 Prozent mit einem Schwenk ins rechte Lager zu realisieren. ...Nach wie vor gibt es im deutschen Bürgertum dieses Spektrum, das auch antisemitische Züge hat. Öffentlich sind es angesehene Leute, privat aber ziehen sie über Juden her wie in alten Zeiten."