1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Donnerstag, 22. November 2001

21. November 2001

SPD-Parteitag hinter Bundesregierung/ Afghanistan-Konferenz angekündigt

https://p.dw.com/p/1OlS

Die Gefolgschaft des SPD-Parteitages auch in der Wirtschafts-und Finanzpolitik der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder ist das Hauptthema der Zeitungskommentare an diesem Donnerstag. Auch
beschäftigt die Kommentatoren die angekündigte Afghanistan-Konferenz.

Zum SPD-Parteitag schreibt die BERLINER ZEITUNG:

"Derzeit formuliert ... der Kanzler aus Angst vor dem Wähler keine neuen Reformperspektiven. Er fordert die Partei über die Außenpolitik hinaus nicht. Wohl auch aus der Sorge, sie dann zu überfordern. Im Ergebnis unterscheidet sich die SPD anno 2001 von der im Jahr 1998 erheblich. Damals standen Atomausstieg, Ökosteuer, private Säule der Rentenversicherung und Steuerentlastungen im
Wahlprogramm. Damals griff die SPD an. Jetzt ist die gemeinsame Geschäftsgrundlage: Behutsam weiter so."

Für die AUGSBURGER ALLGEMEINE hat sich die SPD ihrem Bundeskanzler beim Parteitag unterworfen. Das Blatt schreibt:

"Nahezu bedingungslos haben selbst die einst aufmüpfigen Linken vor Schröder kapituliert, denn Schröder bedeutet 'Macht'. Und Macht ist der Garant für Verbesserung, für Reformen, für die Hoffnung, sozialdemokratische Vorstellungen verwirklichen zu können."

Die OST-THÜRINGER-ZEITUNG aus Gera fragt, - Zitat -

"...ob der Kanzler mit seinem Latein am Ende ist. Auf die Idee könnte man kommen. Wer miterlebt, wie salopp er auf dem SPD-Parteitag das Thema Arbeitslosigkeit abhandelt, der kommt sogar auf ganz andere ketzerische Gedanken: Nämlich dass die Beschäftigungspolitik für ihn kein Sex-Appeal mehr hat, weil er im Wahljahr 2002 nicht mehr sein erklärtes Ziel 3,5 Millionen Arbeitslose erreichen kann. Was der Kanzler sehr wohl einleiten könnte und auch sollte, wären mehr Reformen auf dem Arbeitsmarkt und eine neue Initiative im Bündnis für Arbeit."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU spricht vom bravsten SPD-Parteitag seit Menschengedenken, der noch unter dem Schock der Vertrauensfrage im Bundestag stand. Weiter heißt es:

"Die Partei fühlt sich nicht nur gelähmt und scheut die
Auseinandersetzung mit ihrem Kanzler. Ihr fehlt mittlerweile der ernsthafte Glaube daran, überhaupt etwas bewegen zu können. Schröder hat es beim Thema Afghanistan offen gesagt und er meint es nicht nur in diesem Punkt so: es hat sich die Impulsrichtung umgedreht. Nicht mehr von unten nach oben entwickeln sich politische Linien, sondern
von oben nach unten werden sie durchgesetzt. Bei der CDU war das schon immer so. Nicht wenige in der SPD-Spitze glauben inzwischen, dass es anders gar nicht geht. Die Partei weiss es nur noch nicht."

Ähnlich sieht es die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Als die SPD noch Arbeiterpartei war, hießen ihre Gesangsvereine 'Harmonie'. Nun ist die ganze SPD ein Harmonie-Verein, und Kanzler Schröder dirigiert ihn so, wie Helmut Kohl das mit seiner Partei in seinen besten Zeiten machte. Und die SPD lässt es sich gefallen, so wie die CDU es sich gefallen ließ: Die SPD hat keinen anderen Dirigenten und sie hat ja mit ihm auch Erfolg."

Themenwechsel. Die Konferenz der Vereinten Nationen zur Zukunft Afghanistans soll am kommenden Montag auf dem Petersberg bei Bonn beginnen. Die Teilnahme zugesagt hat unter anderen die Nordallianz.

Dazu schreibt der BERLINER KURIER:

"Der Ruf, der Führern der Nordallianz und Stammesfürsten
Afghanistans vorauseilt, ist furchtbar. Scharia, Folter,
Vergewaltigung, Raub, Drogenhandel - alles, was den Taliban
vorgeworfen wird, gilt auch für die Befreier Kabuls. ... Sie wurden zu Not-Verbündeten gegen den Terror. Andere waren nicht da. Bei den Verhandlungen ... werden also keine Engel am Tisch sitzen. Jeder der kommt, will ein Stück vom Kuchen Afghanistan für sich. Es wird schwer werden für den Westen. Aus den Guten können jederzeit wieder Bürger-Krieger werden."

Ähnlich sieht es schließlich auch DIE TAGESPOST aus Würzburg:

"Die Nordallianz ist der Grund, der gegen zu hohe Erwartungen bei der Konferenz spricht. Sie war im Bodenkrieg bisher der Gewinner und wird erobertes Land nicht gern aufgeben. Und wird Amerika die Nordallianz dazu drängen? Wohl kaum. Denn der Verbündete wird noch gebraucht, solange die Taliban kampffähig sind. So ist zu erwarten,
dass die Konferenz eher symbolischen Charakter haben wird."