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Pressestimmen von Donnerstag, 21. April 2005

Reinhard Kleber21. April 2005

Spekulationen über Kurs des Papstes / Debatte über Kapitalismuskritik der SPD / Visa-Untersuchungsausschuss

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Welche Richtung wird die Katholische Kirche nach der Wahl des deutschen Kardinals Josef Ratzinger zum neuen Papst nehmen? Diese Frage steht im Mittelpunkt vieler Kommentare der deutschen Presse. Ein weiteres Thema ist die anhaltende Diskussion über die neu erwachte Kapitalismuskritik der SPD.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt zur Papstwahl:

"Ausgerechnet Ratzinger. Dieser Stoßseufzer war nicht zu überhören, als die Nachricht von der Wahl Benedikt XVI. sich in Deutschland verbreitete. Je lauter, je mehr sich der naive Stolz darauf verflüchtigte, dass ein Landsmann Papst geworden ist. Ausgerechnet der Mann, der seiner Heimatkirche so oft das Leben sauer gemacht hat, dessen Name Synonym ist für die Rückwärtsgewandtheit der katholischen Kirche. Ausgerechnet Ratzinger. Für viele war das ein Schock. Das ist einerseits verständlich. Andrerseits wäre es falsch, sich der Illusion hinzugeben, die Erneuerung der katholischen Kirche habe im Konklave tatsächlich zur Wahl gestanden."

Positiver urteilt die FRANKFURTER ALLGEMEINE:

"Mit ihrer Wahl haben die Kardinäle aus aller Welt ihrem und der Kirche neuem Oberhaupt auch bedeutet, daß sie nicht den Vorurteilen Glauben schenkten. Sondern daß sie auf «des Deutschen» umfassende christliche Kultur, enzyklopädische theologische Bildung, sprachge- wandte und vielsprachige Ausdrucksfähigkeit, auf seinen Sinn für das rechte Maß und eine offene Lebensfreude vertrauen... Aber Joseph Ratzinger wurde auch aus katholischem Stolz gewählt. Er garantierte das Katholische und wird alles daransetzen, es zu bewahren."

Die Wochenzeitung DIE ZEIT gibt dagegen zu bedenken:

"Es bedarf keiner prophetischen Gabe zu behaupten, dass Papst Benedikt XVI. nicht umhin kann, sich den theologischen Reformern zu öffnen. Ratzinger ist das Oberhaupt einer Weltkirche, und der innerdeutsche Kulturkampf, in dem er seine Instrumente schärfte, ist vorbei. Die Zeit für ihn ist günstig. Die halbe Welt spricht von der Wiederkehr der Religion, selbst jene machthabenden »Realpolitiker«, in deren Tun und Trachten das Christliche nicht zu erkennen ist."

Und nun zur Kapitalistenschelte führender SPD-Politiker und dem lautstarken Echo darauf. Der BERLINER KURIER meint:

"Klar, dass die Bosse über den Genossen Müntefering herfallen. Schlimm aber ist, dass die Menschen «Münte» nicht glauben wollen, dass er es ernst meint. Dabei könnte die SPD wieder beweisen, dass ihr Herz für soziale Gerechtigkeit UND soziale Marktwirtschaft schlägt. So könnte es gehen: Hartz IV so ändern, dass Arbeitslosigkeit nicht in die Armut führt. Und den Bossen Druck machen, dass sie das Gebot «Eigentum verpflichtet» auch umsetzen. Noch ist es Zeit für eine Umkehr. Münte, mach also Dampf. Lass Taten folgen!"

Ganz anders die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder. Sie warnt:

"Wenn eine der wichtigsten Parteien im Lande eine Politik der Realitätsverweigerung betreibt und potentielle Investoren abschreckt - wem nutzt das? Wem nutzen die schrillen Töne, wo doch jeder weiß, dass Deutschland nur mit, nicht aber gegen die Wirtschaft erneuert werden kann? Deutschland ist Teil eines weltumspannenden Systems, dessen Verflechtungen mit Globalisierung nur unzureichend umschrieben sind. Es kann sich seine eigenen Spielregeln nicht mehr geben. Und die Märkte werden sich schließlich weder um das Programm noch um die Beschlusslage der SPD scheren."

Zum Schluss zitieren wir das HANDELSBLATT, das einen Blick voraus auf die TV-Übertragung aus dem Visa-Untersuchungsausschuss wirft.

"Heute werden erstmals Bilder aus einem Bundestags-Untersuchungs- ausschuss in deutsche Wohnzimmer gesendet. Das ist eine Premiere und zugleich ein Dammbruch. Einmal zugelassen, wird sich das Fernsehen aus Untersuchungsausschüssen und wohl auch anderen Gremien des Parlaments nicht mehr verdrängen lassen, unabhängig von den partei- politischen Mehrheitsverhältnissen. Gut, dass es so kommt. Zwar wird jetzt vor allem spekuliert, wem ein Fischer-Auftritt «mehr bringt». Wichtiger ist aber, dass die Kameras die parlamentarische Arbeit zum Besseren verändern werden."