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Pressestimmen von Donnerstag, 2. November 2006

Eleonore Uhlich1. November 2006

Auslandseinsätze der Bundeswehr / Diskussion über Steuer-Mehreinnahmen

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Die Zeitungskommentare beschäftigen sich zum Einen mit der Diskussion über die Verwendung der Steuer-Mehreinnahmen in diesem Jahr. Ein weiteres Thema ist das Für und Wider von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Anlass dafür ist die Ankündigung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung, bereits im kommenden Jahr die deutschen Soldaten stufenweise aus Bosnien abziehen zu wollen.

Die in Cottbus erscheinende LAUSITZER RUNDSCHAU schreibt dazu:

"Mit den Fragezeichen hinter dem Verbleib in Bosnien ist Jung durchaus seinem Amt gerecht geworden. Denn Soldaten sind nur in Ausnahmefällen die besten Helfer in Krisensituationen. Und sie sind es vor allem nur für begrenzte Zeit. Sie haben die Mittel für schnelle Interventionen und sie sind gut genug ausgerüstet, um nötigenfalls auch eine Waffenruhe zu erzwingen. Sie sind kein Ersatz für Polizisten oder Entwicklungshelfer. Die aber werden in Bosnien viel eher gebraucht als die Streitkräfte der Bundesrepublik."

Skeptisch dagegen äußert sich die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam:

"... in der Sache darf bezweifelt werden, dass Verteidigungsminister Jung mit seiner Einschätzung zur vermeintlich stabilen Lage in Bosnien Recht hat. Muslime, Serben und Kroaten werden dort derzeit von Radikalen repräsentiert, und Polizeikräfte, die die internationalen Truppen ersetzen könnten, sind einstweilen nicht in Sicht. Auch diente das Bosnien-Kontingent bisher als Reserve für die Einheiten im Kosovo. Gerade dort stehen im Zuge der Statusgespräche aber noch heikle Momente bevor."

Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg urteilt:

"Ein Teil des aktuellen Feuers auf Minister Jung ist der Ignoranz der deutschen Politik seit Mitte der neunziger Jahre geschuldet. Die Bundesregierungen stolperten seither mehr in militärische Auslandseinsätze hinein, als dass sie die Soldaten nach einem langfristigen Konzept in Krisengebiete abkommandierten. ... Inzwischen sind rund 10 000 deutsche Soldaten allein bei sieben großen Einsätzen weltweit gefordert. Man verliert fast die Übersicht."

Die in Magdeburg erscheinende VOLKSSTIMME notiert:

"Weil manches schief läuft, nun aber Hals über Kopf dem Bosnien-Kommando die Absetzbewegung in die Heimat zu befehlen, hieße den Schaden nicht zu begrenzen, sondern eher zu vergrößern. Denn damit stünde die Verlässlichkeit deutscher Militär- und Friedenspolitik auf dem Spiel."

Zum Abschluss das Resümee der in Hamm erscheinende Zeitung WESTFÄLISCHER ANZEIGER:

"Das Tempo der politischen Entscheidungen für Auslandseinsätze verstellt oft den Blick auf die Realitäten. Dabei entscheiden kritische Fragen eher über Sinn und Nutzen einer Mission als moralisches Wetteifern. Was können deutsche Soldaten am jeweiligen Krisenherd tatsächlich ausrichten, was bewirkt ihr Einsatz für die Zukunft des Landes? Und wann gebietet schlichte Aufrichtigkeit doch das Eingeständnis, das eine Jahr um Jahr stetig kleiner gesparte Truppe irgendwann auch einmal überfordert ist? Eine unbequeme Debatte, doch überfällig."


Vor dem Finanzgipfel am Freitag wird in den Koalitionsparteien heftig diskutiert, wie die zu erwartenden Steuer-Mehreinnahmen in diesem Jahr am besten verwendet werden. Auch die Kommentare der Tageszeitungen beteiligen sich an der Diskussion:

In den STUTTGARTER NACHRICHTEN lesen wir:

"Viel Geld ist plötzlich da, aber große Freude will sich erst mal nicht einstellen. Im Gegenteil, gestritten wird darüber, was sich denn nun Gutes tun ließe mit den sprudelnden Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe. Dazu ein paar Feststellungen. Erstens: Den Menschen, die von Staat und Wirtschaft ziemlich kurz gehalten wurden, fiele eine Menge Segensreiches dazu ein. Aber sie werden leider mal wieder nicht gefragt. Zweitens: Die Politik hat zwar viele Ideen, aber keine Konzepte. Und drittens: Der Wirtschaftsstandort Deutschland, oft gescholten, ist offenbar sehr viel besser als behauptet."

"Mehr als erwartet ist immer noch weniger als nötig", stellt die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam fest und führt aus:

"Die öffentliche Hand macht auch 2006 weiter neue Schulden und häuft neue Zinslasten auf, die künftige Generationen tragen müssen. Wer aber mit 100 in den Miesen ist, sollte den gefundenen Zehner sparen und nicht verjubeln. Wenn schon nicht zur Senkung der Neuverschuldung, so sollte der erwartete Geldsegen wenigstens für Zukunftsinvestitionen verwandt werden."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN notieren:

"Eine so kurzatmige Politik hatte man der Union früher nicht zugetraut. Aus einmaligen oder zumindest vorübergehenden Einnahmen werden dauerhafte Aufgaben bezahlt. Ein bequemer Weg, der sich um strukturelle Veränderungen herummogelt und obendrein die Haushaltssanierung, bisher ein Erfolgskapitel dieser Koalition, gefährdet."

Die NEUE RUHR/NEUE RHEIN-ZEITUNG aus Essen beleuchtet die Rolle der Kanzlerin:

"Niedrigere Arbeitslosenbeiträge, weniger Kassenbeiträge, mehr Geld für ältere Stellensuchende ... - der Wunschzettel ist lang. Selbst die Kanzlerin befeuert munter die Spekulationen. Das ist fatal. Merkels Aufgabe ist es, ihrem Finanzminister den Rücken zu stärken. (...) So gerechtfertigt jeder Ausgabenwunsch sein mag - der Bundeskassenwart muss jedem Ressortchef erklären, dass sich das Fell des Bären nicht vor dessen Erlegen verteilen lässt."

Auch die SÜDWEST PRESSE aus Ulm unterstreicht:

"Leider hat dies die Regierung selbst angestoßen, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel. Schon seit Wochen denkt sie öffentlich darüber nach, zusätzliche Mittel in die Krankenversicherung zu stecken. Inhaltlich mag das einen wahren Kern haben. Aber es ist schlechte Politik, erst große Erwartungen zu wecken und dann die Bürger zu enttäuschen. Die Regierungsspitzen hätten sich schon längst auf eine Marschrichtung festlegen können. ... So entsteht der Eindruck, als wolle Merkel die Regierung in eine Richtung zwingen, die der Koalitionspartner SPD freiwillig nicht mitträgt. Für das Klima zwischen Union und SPD ist das schlecht, und die zwangsläufigen Irritationen sind unnötig."