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Pressestimmen von Donnerstag, 19. Januar 2006

Zusammengestellt von Michael Wehling18. Januar 2006

EU-Parlament lehnt Finanzplanung und Hafenrichtlinie ab // Protesttag der niedergelassenen Ärzte

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Die ausgewählten Kommentare der deutschen Tageszeitungen beschäftigen sich an diesem Donnerstag mit der Ablehnung der EU-Finanzplanung bis 2013 und der Hafenrichtlinie durch das Europa-Parlament. Beachtung findet auch der Ärzteprotest in Deutschland.

Zunächst ins EU-Parlament nach Straßburg. Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU erläutert:

'Das Veto zählt zu den schärfsten Klingen, die das Europaparlament zu führen imstande ist. Gestern sagte das oft unterschätzte Abgeordnetenhaus gleich zweimal Nein - zum mühsam ausgehandelten Gipfel-Kompromiss der Regierungschefs über die künftigen EU-Finanzen und zur Hafenrichtlinie der EU-Kommission. Zwei grundverschiedene Themen, deren Ablehnung jedoch in einem engen Begründungszusammenhang steht. ... Die Botschaft des Parlaments lautet: Wir reden mit.'

Die in Dortmund erscheinende WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU notiert:

'Das Europäische Parlament zeigt den Staats- und Regierungschefs die Zähne. Die Abgeordneten lehnen den mühsam errungenen Gipfel-Kompromiss über Europas Finanzplanung ab. Sie haben das letzte Wort und wollen es nutzen. Jedes einzelne Argument ist stichhaltig. Der große Wurf ist den Europäern im Dezember tatsächlich nicht gelungen. ... doch lässt sich an den Grundzügen der Einigung der 25 nichts ändern, ohne das komplette Scheitern zu riskieren. Ob das Parlament am Ende so weit gehen wird, ist fraglich. Vorerst demonstriert es seine Macht, später stellt sich die Frage nach der Verantwortung.'

Kritisch äußert sich die VOLKSSTIMME aus Magdeburg:

'Das ist schon ärgerlich, was das EU-Parlament der Gemeinschaft da eingewinkt hat. Der sicher geglaubte Finanzkompromiss wackelt schon wieder. Quälende weitere Verhandlungen werden folgen ... Hellhörig muss man bei einem anderen Stichwort werden: EU-Steuer! Diese Variante hat EU-Ratspräsident Schüssel bei Vorgänger Blair abgelinst. Im Klartext heißt das: Europa kann sich nicht mehr finanzieren, weil der Bedarf die Einnahmen übersteigt. ... Weil also die Politiker mit ihrem Latein am Ende sind, wollen sie den ohnehin europamüden Bürgern zusätzlich in die Taschen greifen. Die werden sich schön bedanken.'

Der REUTLINGER GENERALANZEIGER glaubt nicht, dass es die Europa-Abgeordneten tatsächlich auf eine Machtprobe mit den Regierungen ankommen lassen wollen.

'Es ist aber unwahrscheinlich, dass es die Parlamentarier in Straßburg und die EU-Finanzminister auf eine weitere Krise ankommen lassen werden. Da für war der Gipfel-Kompromiss denn doch zu gut: Immerhin hat London beim Britenrabatt eingelenkt; im Gegenzug dafür hat Frankreich zugestimmt, dass die äußerst umstrittene EU- Agrarförderung, die den Löwenanteil der EU-Gelder verschlingt, vor allem den französischen Bauern zugute kommt und zu den tollsten Absurditäten führt, schon 2008 auf den Prüfstand kommt. Dann dürften Finanzmittel für andere, bislang von der EU vernachlässigte Bereiche frei werden.'

Damit zum nächsten Thema, dem bundesweite Aktionstag der niedergelassenen Ärzte für höhere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München schreibt:

'Jetzt rächt es sich, dass die Gesundheitspolitiker die Ärzte allzu oft und pauschal an den Pranger gestellt haben, statt mit ihnen zu reden, dass sie die Sparschraube immer weiter zugedreht haben, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Noch gibt es, jedenfalls in den Großstädten und in den reichen Bundesländern, genügend Ärzte. Doch in den nächsten fünf Jahren werden 40.000 Mediziner in den Ruhestand gehen, der Nachwuchs will sich dem Stress in Klinik und Praxis nicht aussetzen, er wandert aus. Vor arztfreien Zonen warnt der Ärztepräsident. Er könnte Recht bekommen.'

Weniger Verständnis für die Mediziner zeigt das HAMBURGER ABENDBLATT:

'Viele Ärzte haben es noch nicht gemerkt: In Wahrheit sind sie staatlich Beschäftigte, denen von einigen Funktionären vorgegaukelt wird, sie würden nach Menge und Aufwand ihrer Leistung entlohnt. Dabei wird an sie nur verteilt, was im gedeckelten Topf zusammenkommt. Wenn die Ärzte dieses System grundlegend ändern wollen, müssen sie mehr verlangen als höhere Honorare und bessere Arbeitsbedingungen. Dann muss das ganze Gesundheitssystem auf den Prüfstand.'

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus dem brandenburgischen Frankfurt bemerkt:

'Die Wut der Praxisärzte über das deutsche Gesundheitswesen ist verständlich. Selbst wenn manche Mediziner auf hohem Niveau jammern: Niemandem ist zuzumuten, verantwortungsvollen Dienst mit immer mehr Arbeitszeit ohne entsprechende Bezahlung zu leisten. Wenn die Mediziner gestern allerdings vor das Haus der Bundesgesundheitsministerin gezogen sind, haben sie sich in der Adresse geirrt. Für die Misere der niedergelassenen Ärzte ist vor allem die Kassenärztliche Bundesvereinigung verantwortlich.'

Im OFFENBURGER TAGEBLATT lesen wir:

'Natürlich geht es den Medizinern auch ums Geld. Aber die Demonstranten können auch auf strukturelle Fehlentwicklungen hinweisen, die in der Tat Besorgnis erregen. Da ist die nicht nur vom Gesetzgeber, sondern auch von der ärztlichen Selbstverwaltung zu verantwortende Bürokratiebelastung, die den Patienten wertvolle Zeit des Fachmanns stiehlt.'

Abschließend ein Blick in die ESSLINGER ZEITUNG:

Die Sympathie für den Ärztestreik mag zum Teil mit dem nach wie vor verbreiteten Respekt vor einem Berufsstand zu tun haben, dem man auch ein überdurchschnittliches Einkommen zugesteht. Aber mehr noch dürfte die Solidarität Ausdruck eines wachsenden Unbehagens in der Bevölkerung sein. Die Angst vor einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung geht um.'