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Pressestimmen von Donnerstag, 18. Mai 2006

Reinhard Kleber 18. Mai 2006

Bundestagsbeschluss zum Kongo-Einsatz - Warnung von Ex-Regierungssprecher Heye

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Die Bundeswehr soll sich nach einem Beschluss des Kabinetts mit bis zu 800 Soldaten an der EU-Mission zur Sicherung der ersten freien Wahl im Kongo beteiligen. Das ist ein zentrales Thema in den Kommentarspalten der deutschen Zeitungen. Aufgegriffen wurde auch die Warnung von Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye an Dunkelhäutige, während der Fußball-Weltmeisterschaft besser nicht nach Brandenburg zu reisen. Doch zuerst zum Kongo-Beschluss.

Die ABENDZEITUNG aus München sieht die Mission positiv:

"Deutschland und die EU sollen helfen, freie Wahlen zu unterstützen. Es geht mal nicht um Öl oder Terror, sondern um den Versuch eines Landes, zu Demokratie und Stabilität zu finden. Und: Es ist der erste EU-Einsatz unter deutscher Leitung. Vor 20 Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass deutsche Truppen eine Auslandsmission anführen. Heute kräht kein Hahn mehr danach, weder im In- noch im Ausland. Es ist unverkrampfte Normalität. Auch das ist ein Symbol."

Auch die SCHWERINER ZEITUNG betont die positiven Aspekte:

"Der Friedenseinsatz in der Republik Kongo ist vor allem ein Einsatz im diplomatischen Dienst. Auch die meisten politischen Gegner bezweifeln die Sinnhaftigkeit der Mission nicht im Grundsatz, in der Sachbeurteilung gibt es beachtliche Schnittmengen. Die Gegner befürchten (...), dass im Fall eines Bürgerkrieges aus dem befristeten Engagement eine unkalkulierbare Dauerpräsenz werden könnte. Ja, aber dagegen steht die gute Chance, nach mehr als 40 Jahren und einer freien Wahl demokratische Verhältnisse im Kongo zu entwickeln. Die Möglichkeit, dazu einen Beitrag zu leisten, muss man nutzen."

Skeptisch äußert sich dagegen die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Die Art und Weise, wie das Unternehmen hier zu Lande politisch vorbereitet wird, erweist der guten Sache, der es dienen könnte, einen Bärendienst. Deutschland, so der Eindruck, den Verteidigungsminister Jung und die Bundesregierung vermitteln, macht nicht mit, weil man überzeugt wäre, sondern weil zum Zeitpunkt X dummerweise kein Busch in Sicht war, in den man sich seitwärts hätte schlagen können. Das wird den Deutschen in Sachen Afrika, in Sachen UN, in Sachen EU eine Lehre sein. Leider die falsche."

Harte Kritik bringt das NEUE DEUTSCHLAND aus Berlin vor:

"In Kongo muss man in die Augen von Menschen schauen, die die EU-Wahlhelfertruppe nicht alle wohlgefällig begrüßen werden. Spätestens dann, wenn der erste superausgebildete deutsche Fallschirmjäger einem Kind mit Kalaschnikow gegenüber steht, endet Überlegenheit. Genau das versuchen Minister Jung und die Generäle zu verhindern. Daher begrenzen sie den Einsatz auf Kinshasa. Fragt sich, was passiert, wenn irgendwo im Land eine Blauhelmtruppe in Bedrängnis gerät? Der bislang formulierte Mandatsentwurf gibt keine eindeutige Antwort darauf, wie tief deutsche Soldaten dann plötzlich landesweit in Interessen ehemaliger Kolonialmächte und anderer Kapitalverwerter verstrickt werden."

Und nun zum zweiten Kommentarthema. Der frühere Sprecher der Bundesregierung, Uwe-Karsten Heye, hat mit einer Warnung an afrikanische Besucher der Fußball-Weltmeisterschaft beträchtlichen Wirbel ausgelöst. Heye hatte gesagt, er würde niemandem mit anderer Hautfarbe raten, in kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo zu reisen. Die Äußerung reizte viele Leitartikel der deutschen Presse, Stellung zu beziehen.

Der MANNHEIMER MORGEN zeigt Verständnis für Heyes Position:

"Es ist nicht überraschend, dass internationale Reiseführer und der Afrikarat vor No-Go-Areas in ostdeutschen Städten warnen. Die betroffenen Landespolitiker wehren sich natürlich gegen diese Kritik. Nur: Der Angriff auf den Deutsch-Afrikaner Ermyas M. in Potsdam hat ja bewiesen, wie die Wirklichkeit aussieht. So gesehen bietet die WM den Deutschen als Gastgeber eine einmalige Chance, an ihrem Image zu arbeiten - falls nichts passiert."

Verständlicherweise sind die Brandenburger Zeitungen ganz anderer Meinung. Der NORDKURIER aus Neubrandenburg schreibt:

"Heye tut geradezu so, als sei der Osten Deutschlands ein Hort von Fremdenfeindlichkeit, ein einziges schwarzes Loch für jeden Menschen anderer Hautfarbe. Er beleidigt damit Millionen von Menschen, in kleinen und mittleren Städten' und darüber hinaus, die schlicht und einfach friedliebende Zeitgenossen sind, die mit ihren Nachbarn - und dazu gehören auch Ausländer - konfliktfrei zusammenleben wollen. Denn die erdrückende Mehrheit der Deutschen - auch der Deutschen im Osten - lehnt jede Form von Gewalt ab, gegen wen auch immer."

Ähnliches ist in der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder zu lesen:

"Ja, es gibt rechtsradikale Schläger, es gibt dumpfen Ausländerhass. Es gibt ein rechtsextremes Milieu. Der Verfassungsschutzbericht hat das gerade mit 1385 Personen beziffert - bei über 2,5 Millionen Einwohnern. Ja, Brandenburg kann durchaus mehr Weltoffenheit, mehr Weltläufigkeit vertragen. Aber das erreicht man nicht, indem man ein ganzes Bundesland unter Generalverdacht stellt. Vorurteilsfrei auf andere zuzugehen, sich auf andere Meinungen einzulassen ist eben nicht nur eine Forderung, die an uns Brandenburger zu richten ist." Mit einem Kopfschütteln meldet sich auch das HANDELSBLATT aus Düsseldorf zu Wort:

"Während sich Deutschland vor der Fußball-Weltmeisterschaft als weltoffenes Land präsentieren will, warnt Heye farbige Besucher ausdrücklich vor dem Besuch kleinerer Städte Brandenburgs. Die Aussage, die Gäste würden diese Orte 'möglicherweise lebend nicht mehr verlassen', ist ungeheuerlich. Denn sie schürt in fahrlässiger Weise ein Pauschalurteil über einige deutsche Regionen. Der Imageschaden, den eine solche Aussage im Ausland anrichtet, ist immens. Einem ehemaligen Regierungssprecher darf so etwas nicht passieren."