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Pressestimmen von Donnerstag, 17. April 2003

zusammengestellt von Frank Gerstenberg 16. April 2003

Unterzeichung des EU-Beitrittsvertrages in Athen / Dikussion über Reformen in der SPD

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Im Mittelpunkt der Kommentare steht die Unterzeichnung des EU-Beitritts-Vertrages in Athen. Daneben richten die deutschen Tageszeitungen ihr Augenmerk auf die Reform-Debatte in der SPD.

Die Zeitung DIE WELT schreibt zum historischen Tag an historischer Stätte:

"An Symbolik war das Treffen in Athen kaum zu überbieten. Am Fuße der Akropolis haben die EU und acht Staaten aus Mittel- und Ost- europa sowie Zypern und Malta die Beitrittsverträge unterzeichnet. Hier, an der Wiege der europäischen Demokratie, wurde ein Abkommen signiert, das den alten Kontinent verändern wird wie kaum eine Entscheidung zuvor. Doch aller Euphorie zum Trotz beschleichen die Architekten der EU bange Fragen, was den sich vereinigenden Kontinent im Innersten zusammenhalten soll. Die Teilnahme an der EU steht grundsätzlich jedem offen, der die politischen und wirtschaftlichen Aufnahmekriterien erfüllt. Diese Offenheit ist die Schwäche des Systems EU. Wenn sich bislang 15 EU-Staaten kaum auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen können - wie soll dies mit 25, später 30 und mehr gleichberechtigten Mitgliedern möglich sein?"

Zurückhaltend ebenfalls der MANNHEIMER MORGEN:

"Der feierliche Akt am Fuße der Akropolis hatte Symbol-Charakter. Aber das nach Jahren harter Verhandlungen jetzt Erreichte ist kein Meisterwerk, sondern allenfalls ein Gesellenstück. Statt sich mit Macht an die dringenden Reformen zu begeben, stellte man ein Zielgleichgewicht von Vertiefung u n d Erweiterung her. Damit wurde ein Druck aufgebaut, der finanziell, wirtschaftlich und politisch wirklich durchstrukturierte Anpassungs-Schritte letztlich nicht mehr zuließ. Das Resultat ist ein wahrer Flickenteppich von Ausnahmen, Übergangsregeln und sich schon jetzt abzeichnenden Interessen- Koalitionen im künftigen 'neuen' Europa, der die Hoffnung auf gemeinsame Strategien und einheitliches Auftreten auf der internationalen Bühne praktisch zudeckt."

Skepsis auch bei der OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock:

"Nicht weniger als zehn Staaten werden in die EU aufgenommen. Doch damit wird die bereits heute nur schwerfällig agierende Gemeinschaft bis an die Schmerzgrenze ausgedehnt. Die EU, wie sie sich am Vorabend des Beitritts 2004 darstellt, ist politisch ein schwer überschaubares bürokratisches Monster, wirtschaftlich noch ein gefesselter Riese, außen- und sicherheitspolitisch ein aufgeregter Hühnerhaufen, wie die schweren Dissonanzen in Sachen Irak-Krieg zeigten. Doch so holprig die Erweiterung bisher auch daherkommt - strategisch ist sie alternativ - los."

Für die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera ist die Unterzeichnung zwar

"ein historischer Tag für Europa, dennoch lastete der Schatten des Krieges auf ihm. Uneins eins so sieht die Wiedervereinigung jenseits der Inszenierung aus. Noch nie waren die Länder wirtschaftlich so verwoben wie heute, noch nie seit Gründung der EU waren sie politisch so zerrissen. Der Irak-Konflikt hat die Gemeinschaft in der zentralen Frage von Krieg und Frieden tief entzweit. Geblieben ist die Wirtschaftsunion, als die sich die Gemeinschaft einst gegründet hat."

Innenpolitisch weitet sich der Streit über die Reformpläne der Bundesregierung aus.

Der Kommentator der SÜDDEUTSCHE ZEITUNG warnt:

"Nur wer selbst überzeugt ist, kann andere überzeugen: Das war einer der Sätze, mit denen der Wiederaufstieg der SPD zur Regierungspartei begann. Der Wiederabstieg der SPD könnte damit beginnen, dass die Partei selbst nicht von den Reformen überzeugt ist, die ihr Vorsitzender dem Land verordnet. Es wird dem Kanzler gelingen müssen, seiner Partei die Gewissheit zu geben, dass es beim Umbau des Sozialstaats gerecht zugeht. Er wird den Argwohn ausräumen müssen, dass die Regierung, wenn es ums Sparen geht, stets nach unten, zu den relativ Armen greift."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER stellt fest:

"Eine solch unverhohlene Einmischung einer - immerhin der Überparteilichkeit verpflichteten - Gewerkschaft in den
Machtkampf einer Partei hat es bisher nicht gegeben. Unter dem Deckmantel 'sozialer Gerechtigkeit' werden damit eher zaghafte Versuche erstickt, die größte soziale Ungerechtigkeit – die Massenarbeitslosigkeit - abzubauen."