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Pressestimmen von Donnerstag, 15. Dezember 2005

Siegfried Scheithauer 14. Dezember 2005

Bundestagsdebatte über CIA-Affäre / Neue Polemik Ahmadinedschads

https://p.dw.com/p/7crP

Die Opposition in Deutschland verlangt Aufklärung über eine mögliche Verwicklung bundesdeutscher Stellen in illegale Aktivitäten der CIA. Innenminister Schäuble bestätigte im Parlament, dass deutsche Ermittler im US-Gefangenenlager Guantanamo und in Syrien im Einsatz waren. Auch für die deutschen Leitartikler heißt dies oft noch mehr Fragen als Antworten.

Zunächst die Einschätzung der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:

"Den islamistischen Terroristen ist etwas gelungen, was ihnen nie hätte gelingen dürfen: Sie haben den Geist der Gesetze vergiftet und das Vertrauen in den Rechtsstaat verseucht. Sie haben Rechtsstaaten dazu gebracht, ihre Prinzipien zu opfern. Sie haben Sicherheits- organe demokratischer Staaten dazu verleitet, jenseits der Legalität zu operieren."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN geben sich ähnlich skeptisch:

"Zusammenarbeit ist gut, vor allem im Kampf gegen den Terrorismus. Inzwischen aber wachsen die Zweifel, ob sich die Geheimdienste hier nicht zunehmend fragwürdiger Mittel bedienen, die Rechts- staatlichkeit und Völkerrecht unterhöhlen. Für die USA gilt das sowieso. Aber auch deutsche Ermittler scheinen nicht abgeneigt zu sein, von den Erkenntnissen erzwungener Aussagen zu profitieren".

Die FREIE PRESSE CHEMNITZ vermutet gar außenpolitische Rücksicht- nahme der Regierung hinter dem Berliner Zögern:

"Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass - wieder einmal - lieber mit der Taschenlampe im Dunklen gefummelt wird, statt den Lichtschalter zu betätigen. Obgleich ganz anders geartet - die Visa-Affäre lässt grüßen. Klar ist, wer auch immer eine umfassende Aufklärung der Vorgänge durchsetzen möchte, wird letztlich damit rechnen müssen, sich den Unmut der US-Administration zuzuziehen. Genau dies möchte Bundeskanzlerin Merkel aber unter allen Umständen vermeiden."

Der Kommentator der Zeitung DIE WELT zieht eine traurige Zwischenbilanz:

"Es sollte der Tag der Aufklärung werden. Stattdessen stellen sich seit gestern neue Fragen rund um den Entführungsfall El Masri. Haben die Amerikaner den damaligen Innenminister Schily nur bruchstückhaft und damit falsch informiert? Und hat die CIA versucht, El Masris Schweigen über ihren peinlichen Fehler zu erkaufen? Brisante Details des Falles bleiben ominös: (...) Gibt es weitere El Masris? Was tut die Bundesregierung etwa für jenen so genannten 'Bremer Taliban' Murat Kurnaz in Guantanamo? Die Regierung ist in der Affäre noch nicht aus dem Schneider."

Auch die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder beleuchtet noch einmal die Rolle von Ex-Minister Schily:

"Schily stellte die dem US-Botschafter zugesagte Vertraulichkeit über seine Pflicht, Recht und Gesetz auch im Anti-Terror-Kampf Geltung zu schaffen. (...) Der Gedanke hat seinen Reiz, was der frühere Anwalt Schily wohl aus einem solchen Fall gemacht hätte. Als Politiker hielt er die Sache unter der Decke, und gleich ihm taten das offensichtlich noch andere Stellen der alten Bundesregierung. Dies ist der eigentliche Skandal."

Ungeachtet massiver internationaler Empörung verschärft Irans Präsident Ahmadinedschad seine antiisraelische Propaganda. Er bezeichnet den Massenmord an den Juden als Mythos. Dem Westen wirft er vor, unschuldige Nationen zu unterdrücken. Ein Aufschrei geht auch durch die Tagespresse.

Der Berliner TAGESSPIEGEL gibt aber zu bedenken:

"Die Empörung ist berechtigt. Sie hat aber auch etwas seltsam Weltfremdes, wenn so getan wird, als fielen die Worte des iranischen Präsidenten plötzlich vom Himmel. Seine Rhetorik steht im Einklang mit den Ideen der iranischen Revolution. Die Vernichtung Israels ist erklärtes Staatsziel des Mullahregimes, und in Zeitungsannoncen werden seit langem schon Selbstmordkandidaten gesucht, die bereit sind, sich gegen jüdische, israelische oder amerikanische Ziele in die Luft zu sprengen."

Die TAGESZEITUNG, kurz "taz", aus Berlin, fragt:

"Kann man, muss man Ahmadinedschad ernst nehmen? Ja und nein. Man kann seine Äußerungen, Israel solle von der Landkarte getilgt oder nach Europa umgesiedelt werden, getrost zu den Akten legen. Iran ist weder in der Lage noch gewillt, Israel anzugreifen, geschweige denn, den Staat auszulöschen. Ernst nehmen muss man ihn aber aus zweierlei Gründen. Zum einen, weil seine Worte (...) in den islamischen Ländern auf fruchtbaren Boden fallen und den Hass gegen den Westen und Israel weiter schüren. Zum anderen, weil sie den USA und Israel, die längst Pläne zu einem Angriff auf Iran in der Schublade haben, einen willkommenen Vorwand liefern, diese vielleicht doch in die Tat umzusetzen."

Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg beleuchtet die tiefgreifenden Gegensätze innerhalb der iranischen Gesellschaft und schreibt:

"Die Atombombe als Machtsymbol und eine aggressive Politik gegenüber Israel sind geeignet, die inneren Widersprüche der Islamischen Revolution in ihrem 26. Jahr zu überdecken. Ihr Hauptversprechen - soziale Gerechtigkeit - konnten die Mullahs nicht einlösen. Die internationale Isolation und die Verdoppelung der eigenen Bevölkerung überfordern sie. So schlägt nach Jahren pragmatischer Reformen jetzt das Pendel zurück."

Die BERLINER MORGENPOST stellt die Strategie der Europäer gegenüber Teheran in Frage, insbesondere im Atomstreit:

"(...) Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollen für die EU mit dem Iran weiter um einen Kompromiss verhandeln, der Teherans atomares Programm auf ein ausschließlich friedliches beschränken soll. Das klingt blauäugig und ist es wohl auch, solange Russland dem Iran technologischen Beistand leistet. Wollen die Europäer die Drohungen aus Teheran mit Aussicht auf Erfolg konterkarieren und gleichzeitig die Sicherheit Israels fördern, müssen sie Präsident Putin in Moskau von der wachsenden Gefahr des Iran für den Weltfrieden überzeugen und ihn auf ihre Seite holen."