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Pressestimmen von Donnerstag, 13. Dezember 2001

12. Dezember 2001

Verbot des Kalifats-Staats / Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan

https://p.dw.com/p/1TZY

Zentrales Kommentarthema der deutschen Tagespresse ist das Verbot der Vereinigung des so genannten Kalifen von Köln, Metin Kaplan, durch den Bundesinnenminister.

Der Kölner EXPRESS schreibt:

"Otto Schily, der 'rote Sheriff', greift durch: Das Verbot des
'Kalifatstaates' ist konsequent und richtig. Kaplans 'Gotteskrieger' sind nicht so harmlos, wie sie uns in jüngster Zeit weismachen wollen. Jahrelang war die Kölner Zentrale Sammelbecken für radikale und auch kriminelle Moslemaktivisten. Wie schon sein Vater machte Kaplan nie einen Hehl aus seiner Verachtung für unsere Demokratie.
Erst als er im Gefängnis saß, erinnerte er sich plötzlich an die
Vorzüge des Rechtsstaates - aus Furcht vor der Abschiebung in die Türkei."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU weist darauf hin:

"Einen Staat im Staate gewähren zu lassen, kann keine Demokratie dulden. Wer demokratische Grundsätze, Menschenwürde und Toleranz nicht achtet, sie vielmehr als 'schlimmste Krankheit unserer Zeit, gefährlicher und tückischer als Krebs, Aids oder Pest', als 'Krankheit, die Menschen vernichtet' verteufelt, kann in keiner Demokratie auf staatliche Nachsicht oder gar Schutz durch die Verfassung hoffen. Da spielt es keine Rolle, ob jemand in Deutschland
geboren oder eingewandert, ob er Christ, Moslem oder Atheist ist."

Im BERLINER KURIER heißt es:

"Verfassungsschützer haben ihn seit Jahren im Visier. Doch machen wir uns nichts vor: Hätte es den 11. September nicht gegeben, wäre dem Kalifatstaat kein Haar gekrümmt worden. Islam-Fanatiker könnten im Schutze ihres Irrglaubens weiter ihre Weltherrschaftsfantasien träumen. Mitten in Deutschland. Die Demokratie tut sich schwer, wenn sie Freiräume einengen muss, die sie als Errungenschaften verteidigt."

Die ABENDZEITUNG in München gibt zu bedenken:

"Mit dem Verbot des Kalifatstaats ist es freilich nicht getan. Schily und die Länderinnenminister weisen den richtigen Weg, wenn sie jetzt eine rigorose Ausweisung der islamistischen Aktivisten fordern. In einer Art großer Koalition der Vernunft zeigen Schily und seine Kollegen, dass der Staat nicht wehrlos ist gegen neue Herausforderungen."

Der SCHWARZWÄLDER BOTE in Oberndorf schlussfolgert:

"Islamistische Extremisten wissen jetzt: In der Bundesrepublik wird es ungemütlich für sie. Doch allein mit Verboten sind die illegalen Aktivitäten der islamistischen Gruppen nicht zu stoppen. Es ist zu erwarten, dass Kaplans Anhänger und andere Fanatiker in den Untergrund abdriften, wo sie - schon wegen der Sprach- und Kulturbarriere - von deutschen Behörden nur schwer aufzustöbern sind."

Ähnlich sieht dies die OSTTHÜRINGER ZEITUNG:

"Einmal verboten, ist die Szene schwerer zu beobachten. Ein
Teil der Kaplan-Anhänger könnte sich radikalisieren. Das Verbot wird zudem faktisch unterlaufen, solange seine Organisation im benachbarten Holland eine Stiftung unterhält. Ohnehin kuriert Schily mit dem Verbot an Symptomen. Das Phänomen des Islamismus kann man nur angehen, wenn sich die Muslime damit auseinander setzen und es zugleich zum Dialog der Kulturen und Religionen kommt. Auch der ist
überfällig."

In der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG lesen wir:

"Der nun begonnene Kampf gegen Extremisten im Innern hat nichts mit Ausländer- oder Islam-Feindlichkeit zu tun. Im Gegenteil. Hier lebende moderate Moslems könnten aufatmen, wenn sie nicht mehr von aufgehetzten Landsleuten bedrängt würden. Doch ein Sieg gegen den Terrorismus ist nur zu erringen, wenn auch die Integration von Fremden vorankommt. Die weitgehend abgeschlossenen ethnischen, sprachlichen und kulturellen Gemeinschaften, die einige Ausländergruppen vor allem in Berlin und in westdeutschen Großstädten aufgebaut haben, bieten kaum kontrollierbare Freiräume."

Abschließend noch DIE WELT, die auf die geplante Beteiligung der Bundeswehr an der Internationalen Friedenstruppe in Afghanistan eingeht. Zitat:

"Die Bundeswehr stehe an der Grenze der Überforderung, deuten hohe Offiziere an. Die Führung einer Friedenstruppe in Afghanistan hätte sie aus Geldmangel nicht übernehmen können. Die Regierung verplane Einheiten, die nur auf dem Papier existierten. Sie wolle, so lässt sich die Kritik überspitzt zusammenfassen, Weltpolitik von morgen mit einem Bundeshaushalt von gestern betreiben: Alles für das Soziale,
wenig für die Bundeswehr. Die Truppe braucht aber das Nötige, um Aufträge erfüllen zu können, die die Politik ihr erteilt. Diese Gelder wie auf dem Basar zu verhandeln wird im Vorwurf enden, Deutschland betreibe außenpolitische Hochstapelei. Ein Prioritätenwechsel ist fällig."

Zusammengestellt von Susanne Eickenfonder