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Pressestimmen von Donnerstag, 12.September 2002

Martin Muno 11. September 2002

Jahrestag der Terroranschläge / Deutsch-amerikanisches Verhältnis

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Im Blickpunkt der Kommentatoren steht an diesem Donnerstag der Jahrestag der Terror-Anschläge und das deutsch-amerikanische Verhältnis vor dem Hintergrund des Streits um die Irak-Politik.

Der Kölner EXPRESS geht auf die Veranstaltungen zum Gedenken an die Toten des Anschlags auf das World Trade Center ein:

"Kein Gedenktag war es, sondern ein Mahntag. Die stumme Trauer übertönte das grelle Kreischen des Terrors, das einfache Verlesen von 2801 Opfer-Namen wog schwerer als jede politische Rede. Die Toten von New York haben zu uns gesprochen. Nicht von Rache, sondern von Hoffnung auf Frieden. Der Kampf gegen den Terror beginnt nicht mit Kriegserklärungen. Er muss täglich stattfinden. Rassismus,
Hetze, Menschenverachtung, politisches und religiöses Machtdenken, nationale Eitelkeiten dürfen keinen Platz mehr haben in der Welt. Das ist die Botschaft des 11. September."

Der Kommentator des BERLINER KURIERS versucht sich über seine eigenen Gefühle klar zu werden und schreibt:

"Ein Jahr lang versuchte ich, den 11. September zu verdrängen. Die Bilder der einstürzenden Zwillingstürme von Manhattan, der Menschen, die aus Fenstern in den Tod sprangen, waren zu schrecklich. Ich hoffte zu vergessen. Heute weiß ich, dass es nicht möglich ist. Dieser Tag hat sich in meine Seele, in meine Gedanken eingebrannt."

Der MANNHEIMER MORGEN bemerkt:

"Die Fassungslosigkeit, das dominierende Gefühl in den ersten Stunden und Tagen nach den Anschlägen, ist offenbar immer noch nicht ganz vergangen. Gleichwohl hat sich im Laufe eines Jahres viel verändert. Die politischen Debatten innerhalb der USA sind längst wieder pluralistischer geworden. Die patriotischen Klänge der Gedenkfeiern können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Vorgehen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus auch in den USA
umstritten ist. Kurzum, der politische Alltag ist zwar immer noch geprägt von den Folgen der Terror-Anschläge, doch hat sich die demokratische Streitkultur allmählich von der Überdosis Patriotismus erholt."

Die SAARBRÜCKER ZEITUNG äußert sich kritischer:

"Die USA haben bislang die Chance verpasst, den Focus zu öffnen und die militärische Komponente um ein politisches Konzept zu ergänzen.
Gestern warb Washington nicht für eine präventive Politik, sondern erwägt vorbeugende Militärschläge – der Präventivkrieg als 'Ultima ratio' der Terrorbekämpfung. Mit dieser Eindimensionalität hat der Präsident viele Sympathien verspielt, ebenso wie mit der offen demonstrierten Ablehnung internationaler Verträge und Institutionen."

Die WELT geht anläßlich des Jahrestags auf das deutsch-amerikanische Verhältnis ein:

"Was die heiligen Schwüre unseres Bundeskanzlers wert sind, kann jeder jetzt am Jahrestag des 11. Septembers sehen. Hatte sich Gerhard Schröder vor einem Jahr mit seiner bedingungslosen Solidarität für Amerika überschlagen, so opfert er heute diese Solidarität bedenkenlos dem Wahlkampf. Und er hat brutalen Erfolg damit. Sein virtuelles Szenario eines drohenden militärischen Einsatzes im Irak und der so plumpe wie einprägsame Slogan 'Nie wieder Krieg' haben den zäh gegen ihn laufenden Trend der letzten Monate offenbar binnen Tagen umgekehrt. Das ist ein populistische Meisterstück."

Das sieht die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG nicht so negativ. Wir lesen:

"Kein Zweifel, wenn wir nicht kurz vor der Wahl stünden, hätte Schröder sein Nein nicht so klar und so häufig ausgesprochen. Das Argument aber, Schröder mache alles nur, um die Wahlniederlage abzuwenden, stimmt auch nicht. (...) Es ist bedauerlich, dass es diese Gegensätze gibt, auch und gerade zwischen Berlin und Washington. Sie aber nicht auszutragen, wäre grundfalsch."

In den WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN heißt es:

"Wahltaktisch hat der Bundeskanzler geschickt gehandelt. Schröder weiß eine Mehrheit der Deutschen auf seiner Seite, die sich - bei allem Mitgefühl für die Ereignisse in den USA vor einem Jahr - nicht zu Unrecht vor den ungewissen Folgen eines neuen Feldzugs gegen Saddam Hussein fürchten. Schröder hat offen die Nibelungentreue zu George Bush aufgekündigt. Allerdings macht Stoibers Union mit ihrer
lauten Schelte keine glaubwürdige Figur: Sie tut sich angesichts der Wählerstimmung schwer, das heiße Eisen Irak überzeugend anzufassen."