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Pressestimmen von Donnerstag, 12. Mai 2005

zusammengestellt von Gerhard M. Friese11. Mai 2005

Tarifabschluss in der westdeutschen Stahlindustrie / Wiederaufflammen der Atomdiskussion

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Wichtigstes Thema der Kommentare deutscher Tageszeitungen ist an diesem Donnerstag der Tarifabschluss in der westdeutschen Stahlindustrie. Außerdem ist nach dem Abschalten des Kernkraftwerks Obrigheim die Diskussion über den Atomausstieg wieder aufgeflammt.

Zum Tarifabschluss in der Stahlindustrie schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Einen Streik wird es nun vermutlich nicht geben. Das ist gut so. Denn der hätte der Branche womöglich arg zugesetzt. Der Abschluss tut auch der wunden Seele der Arbeitnehmer-Vertreter gut. Endlich haben sie mal wieder einen Erfolg erzielt, der leichter zu vermitteln ist als etwa die Tarifreformen in der Metallbranche und im öffentlichen Dienst. Vielleicht treten die Gewerkschaften jetzt ein bisschen selbstbewusster auf. Klar ist aber auch: Der Abschluss ist nicht eins zu eins auf andere Branchen übertragbar. Denn der Stahlindustrie geht es zurzeit ungleich besser als anderen Wirtschaftszweigen. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass jetzt landauf, landab ebensolche Abschlüsse vereinbart werden."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER dagegen meint:

"Einen Pferdefuß hat die Einigung aber doch. Die gute Stahlkonjunktur wird nicht ewig währen. Wenn der Boom endet, werden die höheren Sockellöhne bleiben. Und dann? In der Vergangenheit fingen Unternehmen solche Abwärtsbewegungen regelmäßig mit Entlassungen ab. Deshalb wäre eine moderatere Lohnerhöhung verbunden mit einer entsprechend höheren Einmalzahlung der zukunftsträchtigere Weg der Erfolgsbeteiligung gewesen."

Und die Düsseldorfer Wirtschaftszeitung HANDELSBLATT fürchtet Auswirkungen auf die nächste Verhandlungsrunde in der Metall- und Elektroindistrie:

"Dann nämlich steht die IG Metall vor der Versuchung, den hohen Stahlabschluss zur Messlatte für Deutschlands wichtigste Industrie- branche zu machen. Leider spricht vieles dafür, dass sie ihr erliegt. Denn groß ist die Zahl der Funktionäre, die in der Tarifpolitik der vergangenen zwei Jahre eine Serie von Niederlagen sehen, die es end- lich zu brechen gilt. Mit der Kapitalismusdebatte im Rücken, die im Jahr der Bundestagswahl an Schärfe vermutlich noch zunehmen wird, fühlen sie sich erst recht bestärkt."

Die Abschaltung des Atomktaftwerkes Obrigheim hat die Atomdiskussion nicht nur in der Politik neu entfacht. Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock verweist auf die steigenden Preise für Öl und Gas und folgert:

"Deutschland wäre daher gut beraten, sich der Atomkraft neu zu besinnen. Gründe gibt es viele. Neueste Studien warnen vor einer Versorgungslücke, wenn die Kraftwerke nicht zügig erneuert werden. Die Ölpreise sind schon jetzt horrend. Die Öl- und Gasfunde vor der britischen Nordseeküste neigen sich dem Ende zu. Der Widerstand gegen einen weiteren Ausbau der Windkraft versteift sich. Die rot-grüne Regierung sollte sich nicht klüger geben als der Rest der Welt."

Auch die Heidelberger RHEIN-NECKAR-ZEITUNG verweist auf das Ausland:

"Über 30 Länder weltweit betreiben zusammen rund 450 Kernkraftwerke, erhöhen die Laufzeiten ihrer Anlagen. Die Verlängerung der Kernenergienutzung ohne höheres Sicherheitsrisiko macht auch Sinn, denn die erneuerbaren Energien sind noch auf viele Jahre hinaus nicht in der Lage, den Bedarf zu günstigen Kosten zu decken."

Die ESSLINGER ZEITUNG hält dagegen:

"Ein Teil der dabei angeführten Daten ist jedoch schlicht unseriös: Aufgelistet werden zur Hälfte Ruinen, an denen schon seit Jahrzehnten gebaut wird. Und soll es neue Anlagen geben, steckt wie aktuell in Finnland oder Frankreich der Staat dahinter. Private Investoren aber hüten sich ganz eindeutig davor, der einst als preiswerte Energie der Zukunft gepriesenen Technik Milliarden hinterherzuwerfen. Das ist der reale Atomausstieg, nicht Obrigheim."

Und der FRÄNKISCHE TAG aus Bamberg kommentiert:

"Wer glaubt, dass das Ende des zweiten Atommeilers der Beginn der Wiedergeburt der Atomenergie war, der liegt falsch. Der entscheidende Gesichtspunkt ist, das bei der Industrie wenig Bereitschaft besteht, in neue Kernkarftwerke zu investieren. Es wird bis 2020 noch so mancher Schalter umgelegt werden - ob mit oder ohne Wehmut."