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Pressestimmen von Donnerstag, 12. Januar 2006

Barbara Zwirner11. Januar 2006

Angela Merkel in den USA / Vogelgrippe

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Der an diesem Donnerstag beginnende Antrittsbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in den USA wird in Deutschland, aber auch von der amerikanischen Politik mit hohen Erwartungen begleitet. Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse sind da nüchterner.

Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle schreibt:

"Die Bedeutung des Besuchs von Angela Merkel in Washington wird erheblich überschätzt. Die Vorstellung, dass hier ein von Ex-Kanzler Gerhard Schröder verantwortetes dunkles Kapitel deutsch- amerikanischer Beziehungen beendet würde, führt ebenso in die Irre wie die Idee, die neue Kanzlerin würde nun einen Bückling vor dem US-Präsidenten machen und ihm fortan willig zu Diensten sein. Richtig ist dagegen: Es wird sich in den deutsch-amerikanischen Beziehungen gar nicht viel ändern. Sie werden einigermaßen gut bleiben, und sie waren auch in den Zeiten des offenen Streits zwischen Schröder und George W. Bush viel besser als gemeinhin angenommen."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER argumentiert ähnlich:

"Die Bedeutung der handelnden Personen in der Politik ist seit jeher überschätzt worden. Fortwährend unterschätzt werden dagegen die Strukturbedingungen der Politik, also vor allem soziale und wirtschaftliche Faktoren, aber auch Bedingungen, die etwas mit Kultur, Religion und Mentalität zu tun haben. Die Bedeutung des Besuchs von Angela Merkel in Washington wird deshalb erheblich überschätzt. Auch wenn das unspektakulär ist und für keinerlei Aufregung taugt: Es wird sich in den deutsch-amerikanischen Beziehungen gar nicht viel ändern."

Im Düsseldorfer HANDELSBLATT lesen wir:

"Die Erwartungen sollten sich am Machbaren orientieren: Das Verhältnis zwischen Staaten wird weniger von Sympathien ihrer Regierungschefs als von gemeinsamen Interessen bestimmt, dem Vorhandensein einer gemeinsamen Agenda ... Was das angeht, sticht hervor, dass Deutschland und die USA politisch wie ökonomisch eng verbunden sind, militärisch dagegen in verschiedenen Welten leben. Ein Blick auf den boomenden Handel und den stagnierenden deutschen Wehretat genügt, um zu erkennen, dass sich an dieser Struktur kaum etwas ändern wird. In Deutschland besteht erneut die Gefahr, dass sich die Öffentlichkeit weniger am Machbaren als an einem Zerrbild ihrer Kanzlerin orientiert."

Die Zeitung STRAUBINGER TAGEBLATT/LANDSHUTER ZEITUNG merkt an:

"In Berlin an der Seite von Vizekanzler Franz Müntefering überglücklich zu regieren, ist eine Sache. Eine andere ist es, die nationalen Belange angemessen zu vertreten. Die außen- und sicherheitspolitischen Aufgaben sowie die weltwirtschaftlichen Probleme sind heute so groß, dass Deutschland und Amerika ohne Schulterschluss nicht auskommen. ... Auf allen Feldern ist enge Kooperation angesagt. Beifall von der falschen Seite sollte Merkel nicht dazu verleiten, die Akzente unklug zu setzen."


Themenwechsel: Nach dem Auftreten der Vogelgrippe in der Türkei fordern Politik und Verbraucherschutz schärfere Kontrollen und mehr Informationen für Reisende. Erhöhte Vorsicht, aber keine Panik - diese Haltung teilen auch die Kommentatoren der deutschen Tagespresse.

Die FRANKFURTER NEUE PRESSE schreibt:

"Die meisten Deutschen verfallen derzeit nicht in Panik. Zu Recht. Erst wenn das Virus mutiert und die Übertragung von Mensch zu Mensch möglich ist, besteht die Gefahr einer Pandemie. Um dieser Gefahr wirksam zu begegnen, müssen alle Erkrankungen umgehend gemeldet werden ... So wurden in der Türkei Informationen zunächst unterdrückt. Menschen, die in bitterer Armut mit ihrem Geflügel unter einem Dach leben, waren nicht über die Gefahr informiert. Nicht informiert oder gefährlich leichtsinnig sind auch die Menschen, die aus den betroffenen Ländern illegal Geflügelprodukte einführen. Die Verkehrsmittel, die das Vogelgrippe-Virus für seine Weltreise nutzt, sind also letztlich nicht die Zugvögel. Es sind vor allem die Armut, die Unwissenheit und der Leichtsinn der Menschen."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam meint:

"Bei all den Nachrichten über das Näherrücken der Vogelgrippe sollte man eines nicht vergessen: Bei der Krankheit handelt es sich um eine Tierseuche. Die Menschen, die bislang erkrankt sind, haben in außergewöhnlich engem Kontakt mit ihrem Geflügel gelebt. Ein Überspringen des Virus von Mensch zu Mensch ist bislang noch nicht nachgewiesen ... Die Gefahr für ein Einschleppen des Virus nach Deutschland liegt eher bei Reisenden aus der Türkei - und im Frühling, wenn die Zugvögel zurückkehren."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU kommentiert:

"Es ist noch nicht so lange her, da war die Vogelgrippe ein abstraktes Problem aus Fernost. Eine Seuche von Entwicklungsländern wie Vietnam, mit ihren für uns seltsam anmutenden Küchenpraktiken. Ganz weit weg. Nun ist das Virus in der Westtürkei angekommen, wenige Flugstunden von hier. Ganz nah. Das verpflichtet zum Handeln. Es verpflichtet aber auch zu sachlicher Information über die Risiken des Virus. Deshalb noch einmal: Wir reden immer noch über ein Tiervirus, das sich leicht von Huhn zu Huhn überträgt, aber eben nicht von Mensch zu Mensch... Panik ist also fehl am Platz. Geboten ist, der Gefahren vorzubeugen."

Und in den STUTTGARTER NACHRICHTEN lesen wir:

"Nicht nur die Gesundheit der Menschen, auch das Vertrauen in die hiesige Geflügelwirtschaft ist bedroht. Noch vertrauen die Kunden der Ware aus deutschen Landen. Doch wie schnell mit dem ersten Erkrankungsfall die Stimmung umschlagen kann, das hat das Lehrstück Rinderwahn gezeigt. Die wichtigste Maßnahme bleibt die strenge Kontrolle an den Grenzen ... Denn alle vorbeugenden Maßnahmen nutzen wenig, wenn andere Länder allzu sorglos mit der Bedrohung umgehen."