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Pressestimmen von Donnerstag, 11. April 2002

zusammengestellt von Herbert Peckmann. 10. April 2002

Wehrpflicht für verfassungskonform erklärt/Deutschland und Russland einig bei Altschulden

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Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Wehrpficht ist Hauptthema der Zeitungskommentare an diesem Mittwoch. Ein weiteres Thema ist die Beilegung des Streits zwischen Deutschland und Russland über die Rückzahlung russischer Altschulden.

Das höchste deutsche Gericht hat einen Vorstoß des Potsdamer Landgerichts, die Wehrpflicht widerspreche der Verfassung, aus formalen Gründen zurückgewiesen. Die Richter äußerten sich aber nicht zu den Möglichkeiten einer Bundeswehr-Reform. Damit bleibt die Entscheidung über die Zukunft der Wehrpflicht dem Gesetzgeber vorbehalten. Dazu schreibt der BERLINER KURIER:

"Nun geht die Diskussion um die Wehrpflicht wieder los. Berufsarmee oder eine Armee aller Bürger - was wollen wir? Für eine Berufsarmee spricht allein die Tatsache, dass die Idee der Wehrgerechtigkeit - alle müssen eine Zeitlang dienen - wegen der Größe der Armee nicht mehr gewährleistet werden kann. Warum soll daher mein Sohn dienen, der vom Nachbarn aber nicht? Eine sehr gerechte Frage für eine ungerechte Behandlung. Dennoch wird diese Armee immer eine Armee aller Bürger sein. Und sie vereinigt durch den Dienst alle sozialen Schichten. Eine Berufsarmee dagegen entzieht sich dem Bürger."

Anders sieht es die FRANKFURTER RUNDSCHAU. Das Blatt schreibt:

"Wir brauchen keine Massenarmee mehr; unsere Sicherheitslage ist kaum so prekär zu nennen, dass die tiefen Einschnitte in Grundrechte, die durch die Wehrpflicht entstehen, gerechtfertigt erscheinen; Soldaten brauchen spezielle, sehr technische Fähigkeiten, die in Wehrpflicht-Monaten nicht zu vermitteln sind; Wehrgerechtigkeit besteht nicht mehr, und die Ausnahmen und Sonderregelungen, um sie doch noch zu simulieren, nehmen immer groteskere Formen an; die Zahl der Berufsarmeen unter unseren Bündnispartnern wächst. Es spricht sehr viel dafür, dass die Wehrpflicht, die den militärischen Notwendigkeiten unseres Landes über Jahrzehnte adäquat war, für die Aufgaben der Zukunft nicht mehr taugt."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG stellt fest:

"Es wird in kaum einer Debatte in Deutschland so geheuchelt wie in der Wehrpflichtsdebatte. Die Wahrheit ist: Nicht nur der Deutsche Städtebund und die Sportfunktionäre, auch die Gesellschaft hat es sich mit der Wehrpflicht bequem gemacht. Viele Sozial-Einrichtungen stünden ohne Zivildienstleistende vor dem Zusammenbruch. Deshalb ist dies mehr als eine Reform der Streifkräfte, sondern eine politische Großaufgabe gegen gewaltige Kräfte der Beharrung."


Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG lobt die Entscheidung der Verfassungsrichter. Zitat:

"Die Karlsruher Richter haben gut verstanden, dass sie als Trumpf im politischen Poker vereinnahmt werden sollten und entsprechend gegengehalten. Das ist vernünftig so, denn die Juristen können den Politikern die Arbeit nicht abnehmen, nur weil diese in ihren Positionen sogar quer durch die großen Parteien gespalten sind. ... Angesichts des neuen weltpolitischen Szenarios schmilzt die politische und gesellschaftliche Unterstützung für den Pflichtdienst an der Waffe. Konsequent und im Sinne der Wehrgerechtigkeit wäre es, die komplette Professionalisierung der Truppe zu vollziehen."

Anders sieht es die MÄRKISCHE ODERZEITUNG:

"Niemand sollte vergessen, dass die Schaffung der Wehrpflichtigenarmee tiefer begründet war als mit militärischen Notwendigkeiten - es war ein gesellschaftspolitisches Modell. Die Wehrpflicht machte die Bundeswehr zur Bürgerarmee, den Soldaten zum Bürger in Uniform, sie garantierte die Verankerung der bewaffneten Kräfte in der Gesellschaft."

Themenwechsel: Zur Einigung zwischen Deutschland und Russland in der Frage der Altschulden schreibt das FREIE WORT aus Suhl:

"Wer unter heutigen Mühsalen politische und wirtschaftliche Kontakte in Russland anbahnt und pflegt, hat den Fuß drin in einem überaus potenten Markt. Eine Überzeugung, von der sich zum Beispiel der Freistaat Thüringen schon länger leiten lässt. Was es dazu braucht, sind nicht allein Hermes-Bürgschaften, sondern ist auch große Geduld. Denn in Russland ticken die Uhren etwas anders. Manager rechnen trotz aller Nettigkeiten in Weimar mit spitzem Stift. Es dauert wohl noch etwas, bis der Rubel richtig rollt."


Und schließlich die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG :

"Wenn zwischen Rußland und den Staaten des euroatlantischen Raumes ein dichtes, reißfestes Beziehungsgeflecht entsteht, dann wird es Gewinn für alle abwerfen und auch Belastungen aushalten. Man muss nur achtgeben, dass die Knotenpunkte gut gewählt sind und ihre Reißfestigkeit nicht überstrapaziert wird."