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Pressestimmen von Donnerstag, 02. Oktober 2003

Arian Fariborz1. Oktober 2003

Grundsatzrede von CDU-Chefin Merkel / Sperrwall-Beschluss Israels

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Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse beschäftigten sich vorrangig mit Angela Merkels Grundsatzrede zum 13. Jahrestag der Deutschen Einheit sowie mit dem Beschluss der israelischen Regierung zum Sperrwall.

Über die Grundsatzrede der CDU-Chefin Merkel für eine neue soziale Marktwirtschaft schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"(...) Frau Merkel führte mit ihrer Rede selbst vor, was sie auf temperamentvolle Weise von ihrer Partei und von ihren Landsleuten fordert: den Geist des Aufbruchs, des Mutes und der Entschlossenheit, neue Pfade einzuschlagen. Die Leidenschaft, mit der sie ihr persönliches politisches Credo vortrug, hätte auch dem Kanzler gut angestanden, als er im März seine Agenda 2010 vorstellte. Und konkreter als Schröder beantwortete Frau Merkel in ihrer Blut- Schweiß- und-Tränen-Rede die Frage nach dem Ziel einer umfassenden Operation an Haupt und Gliedern: Deutschland soll in zehn Jahren wieder auf einem der drei ersten Plätze in Europa stehen."

In der Tageszeitung DIE WELT lesen wir:

"Es war ein mutiger Schritt von Angela Merkel, sich anlässlich ihrer Rede am Vorabend der Einheitsfeiern als politisches Produkt dieser Einheit darzustellen und sich gleichzeitig in der laufenden Reformdebatte politisch festzulegen auf den jeweils weitestgehenden Vorschlag. So hat sie sich selbst höchstpersönlich zum weitestgehenden Personalvorschlag gemacht. Sie hat mit ihrer Person die ökonomische Gesundung des Landes, die Vollendung der Einheit und eine Neubestimmung der Rolle Deutschlands in Europa verbunden. Mehr kann man sich kaum auf die Schultern laden. 'Es fehlt an Vertrauen', sagte Angela Merkel - und meinte die Stimmung im Land. Für sie persönlich gilt das offenbar in keiner Weise, zumindest was ihr Selbstvertrauen angeht. An Merkels Auftritt und der Eindeutigkeit ihrer Selbstfestlegungen wird sich jeder messen lassen müssen, der zukünftig in der Union nach der Kanzlerkandidatur greift."

Themawechsel: Kritisch beleuchtet die FRANKFURTER RUNDSCHAU den Beschluss der israelischen Regierung, den 150 Kilometer langen Sperrzaun im Westjordanland weiter zu bauen:

"Würde die Anlage auf der 'Grünen Linie' verlaufen, der 67-er Grenze, hätten selbst Palästinenser kaum etwas dagegen einzuwenden. Schließlich ließe sich das als vorweg genommene Markierung für eine Zwei-Staaten-Lösung interpretieren. Aber das wollte Premier Ariel Scharon selbst auf die Gefahr hin vermeiden, seinen Freund George W. Bush in Washington ein wenig zu verprellen. So kam eine Zickzacklinie heraus, jetzt mit dem Segen des Kabinetts versehen, mit der sich Israel große Tortenstücke aus dem Westjordanland einverleibt. Sie trägt die Handschrift der Siedlerlobby, auch wenn ein paar nationalrechte Minister finden, dass ihnen das nicht weit genug geht."

Zu einem ähnlichen Schluss kommt die Münchener SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Was hinter Scharons Sinneswandel steckt, lässt sich am Verlauf des Sperrgürtels ablesen. Zaun und Mauer ziehen sich nicht streng entlang der Grünen Grenze zum Westjordanland, sondern ragen teils weit in palästinensisches Gebiet hinein. Das ist mehr als bloße Provokation, das ist ein Programm: Es geht um die Annektion besetzten Landes, es geht um den Schutz der Siedler, kurz es geht um all das, was die Friedenssuche im Nahen Osten erschwert. Der ursprünglich mit dem Zaunbau auch verknüpfte friedliche Ansatz wird damit bewusst pervertiert, das Sicherheitsargument wird instrumentalisiert für andere Ziele."

Abschließend bemerkt die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND:

"Das Kabinett Scharon hat beschlossen, den umstrittenen Sicherheitszaun entlang der Westbank weiter zu bauen. Davon konnte es auch die internationalen Proteste nicht abhalten. Bei der Ortschaft Ariel jedoch wird der Zaun zumindest vorerst eine Lücke haben. Und das ist vor allem dem amerikanischen Druck zu verdanken. Die US-Regierung hatte gedroht, ihre Kreditgarantien von 9 Mrd. $ zu kürzen, wenn Israel die Siedlung einbeziehe. Und der Wink mit dem Geld wirkte, wo politische Appelle ungehört verhallt waren. Die Vereinigten Staaten haben damit gezeigt, dass auch der vermeintlich nicht zu Beeindruckende Scharon zu Zugeständnissen zu bewegen ist."