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Pressestimmen von Donnerstag, 01. August 2002

von Eleonore Uhlich31. Juli 2002

Bonusmeilen-Affäre / Krankenstand

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Die deutschen Tageszeitungen befassen sich an diesem Mittwoch fast ausschließlich mit dem Rücktritt des PDS-Politikers Gregor Gysi und der Debatte über die private Nutzung dienstlich erworbener Bonus-Flugmeilen.

Im BERLINER KURIER lesen wir:

'Man glaubt Gregor Gysi die Begründung für seinen Rücktritt. Ein anständiger Politiker verlässt die Bühne. Andere vor ihm haben mit Händen und Füßen wegen viel schwerwiegenderer Vergehen um ihr Amt gekämpft. Man mag Gysi mögen oder nicht, doch eines wird man ihm zugestehen müssen: Er hat Charakter. Die PDS-Galionsfigur zog einen sauberen Schlussstrich. Doch stellen wir uns vor, er hätte arrogant Kritik beiseite gewischt, wäre geblieben. Sicher hätten wir dann nicht mehr hören wollen, was er zu sagen hat, über seinen Humor nicht mehr lachen können. Sein letztes Geschenk für die politische Kultur: ein Stück Glaubwürdigkeit.'

Die WETZLARER NEUE ZEITUNG schreibt:

'Vielflieger Gregor Gysi narrte die Öffentlichkeit, als er behauptete, die Unterscheidung zwischen privat und dienstlich angefallenen Bonusmeilen sei auf seiner Kundenkarte gar nicht möglich. Ein Wirtschaftssenator, der indirekt zugibt, keinen Taschenrechner bedienen zu können, stellt sich nicht nur ein Armutszeugnis aus. Er ist ein Skandal für das Ansehen der Politik in Deutschland, auch international. Sein Rücktritt lässt uns aufatmen.'

Die Zeitung DIE WELT bemerkt:

'Frei nach Bertolt Brecht fragt das Volk, von dem ja alle Staatsgewalt ausgeht: Wo geht sie hin, die Staatsgewalt, und was tut sie? Sie tut gewiss zuweilen Schädlicheres, als in Gestalt ihrer Gesetzgeber Bonusmeilen privat zu verfliegen, und es liegt nahe, den Kopf zu schütteln nach dem Motto: Skandale sind auch nicht mehr das, was sie früher waren. Eine solche Haltung, so gut sie sich in bürgerlichen Salons machen mag, ist so unangemessen wie die von populistischem Sozialneid motivierte Kneipenvariante: Die da oben machen ja doch, was sie wollen. Eben das dürfen sie nicht, weder im Großen noch im Kleinen.'

Das Kölner Boulevardblatt EXPRESS führt aus:

'Auch wenn die Trickserei so mancher Politiker ein Ärgernis ist, sollte man sich vor Schnellschüssen hüten. Dennoch muss das Bonussystem geändert werden. Ohne richtige Kontrollen haben die Abzocker weiterhin leichtes Spiel. Das gilt übrigens auch für die Wirtschaft. Wenn Geld des Steuerzahlers oder Firmeneigentum in die eigene Tasche privatisiert wird, ist das kein Kavaliersdelikt.'

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE räsoniert:

'Ihre politische Resonanz verdanken die jüngsten "Enthüllungen" vor allem der Tatsache, dass Personen und Parteien betroffen sind, die in besonderem Maße Wert darauf legten, als Inseln der Sittlichkeit im Sumpf der Politik zu gelten und mit den Verfilzungen der Volksparteien nichts zu tun zu haben. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl aber haben die Wähler ein Anrecht auf andere Enthüllungen: Sie wollen endlich Genaueres darüber erfahren, wie die Parteien sich die Zukunft dieses Landes vorstellen.'

Abschließend dazu die ESSLINGER ZEITUNG:

'Nichts wäre übler als ein wochenlanges Sommertheater über Bonusmeilen. Viele Bürger würden sich mitten im Bundestagswahlkampf angeekelt von den Raffkes abwenden. Die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl würde neue Tiefststände erreichen. Die Demokratie insgesamt würde leiden. Dabei zeigt die ganze Affäre doch auch eines: Die Kontrolle der Demokratie funktioniert.'

Zum Schluss dieser Presseschau noch ein Blick in die Berliner Zeitung B.Z, die sich mit dem Bericht des Gesundheitsministeriums über den Krankenstand in den Betrieben beschäftigt:

'So wenig Krankmeldungen wie seit vier Jahren nicht mehr - eigentlich eine gute Nachricht. Obwohl weniger krank, müssen die Arbeitnehmer ständig höhere Krankenkassen-Beiträge entrichten. Denn weder die erste Gesundheitsministerin Fischer (Grüne) noch ihre Nachfolgerin Schmidt (SPD) haben es geschafft, den bürokratischen Wildwuchs bei den Kassen sowie die Selbstbedienungs-Mentalität der Versicherten in den Griff zu bekommen. Die Folge: Wir alle zahlen immer höher Beiträge. Die Gesunden, die sich krank melden, und die Versicherten, die die Krankenkassen ausnutzen, tun übrigens genau dasselbe: Sie beuten die Allgemeinheit aus.'