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Pressestimmen von Dienstag, 9. Juli 2002

zusammengestellt von Reinhard Kleber10. Juli 2002

Aus für Maschinenbau-Konzern Babcock-Borsig / Probleme im ostdeutschen Arbeitsmarkt / Sicherheitslage in Afghanistan

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen widmen sich in erster Linie den gescheiterten Rettungsversuchen für den Maschinenbau- Konzern Babcock-Borsig. Weitere Themen sind die Probleme im ostdeutschen Arbeitsmarkt und die Sicherheitslage in Afghanistan nach dem Attentat auf Vizepräsident Kadir.

Die Tageszeitung DIE WELT aus Berlin merkt zum Fall Babcock-Borsig an:

"Sicherlich haben viele Gründe zum Niedergang von Babcock-Borsig beigetragen. Ein Grund liegt aber zweifellos auch im Niedergang der Managementkultur in Deutschland. Für die Babcock-Beschäftigten ist es unvorstellbar, dass sich ihr letzter Chef Klaus Lederer nach schweren Fehlern im Management der Firma zur HDW-Werft nach Kiel absetzt. Nun ist grundsätzlich nichts dagegen zu sagen, dass ein Manager nach einem gescheiterten Engagement eine neue Aufgabe sucht. Doch im Falle von Babcock bleibt ein bitterer Nachgeschmack, der leider auch bei vielen anderen Unternehmen zunehmend spürbar wird. Manager scheinen immer häufiger mit Unternehmen herumzuhantieren, ohne sich Gedanken über das Wesen und die Fähigkeiten eines Betriebes zu machen. Bricht die Firma dann zusammen oder bleibt ausgeblutet liegen, ziehen sie weiter zum nächsten Kandidaten."

Die BERLINER ZEITUNG lenkt den Blick auf die Beteiligung von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Ministerpräsident Wolfgang Clement an den Rettungsversuchen:

"Für 430 Millionen Euro wären Bund und Land bereit gewesen, für Babcock zu bürgen. Das kündet nicht allein vom Bestreben, einer Region gegen drohende Massenarbeitslosigkeit beizustehen. Bei Schröder mag das Wissen hinzukommen, dass im bevölkerungsreichsten Bundesland bald die Bundestagswahlen entschieden werden könnten. Aber aus Clement spricht vor allem das schlechte Gewissen - wegen eines industriepolitischen Kapitels, das nun im Fiasko endet."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG weist vor allem auf die Folgen der Pleite für den Kanzler hin:

"Wer beständig den Eindruck erweckt, durch eigenes Engagement die Dinge richten zu können, dem wird die Abweichung vom Plan als Misserfolg angerechnet. Holzmann, Kirch, Cargolifter, Lausitzring, Fairchild Dornier, Sachsenring, Herlitz - Schröder ist für keine dieser Pleiten verantwortlich. Freilich hat er immer wieder Hoffnungen geweckt. Das kann sich wenige Wochen vor der Bundestagswahl bitter rächen. Wenn die Lethargie an der Ruhr um sich greift, ist der Kanzler in höchster Not."

Angesichts der steigenden Arbeitslosenzahlen in den neuen Ländern fällen die STUTTGARTER NACHRICHTEN ein hartes Urteil:

"Reden wir nicht von den zig Milliarden, die nach der Wiedervereinigung seit nunmehr zwölf Jahren in die neuen Länder fließen - vor allem für bessere Infrastruktur und effizientere Verwaltung. Nein, reden wir nur über jene 55 Milliarden Euro, welche die Bundesanstalt für Arbeit allein zwischen 1993 und 1999 in den Osten gepumpt hat. 55 Milliarden Euro für eine arbeitsmarktpolitische Riesenpleite! Was für ein Debakel! Arbeitsbeschaffung im Osten? Schon das Wort klingt wie Hohn."

In der THÜRINGER ALLGEMEINE lesen wir dazu:

"Für den Kanzler kommt es derzeit ziemlich dick. Vor allem im
Osten. All die schönen Kommissions-Papiere hin,
Aufschwung-Weissagungen her. Wenige Wochen vor der Wahl gerät die
Chefsache des Gerhard Schröder immer mehr zum Fiasko. Da ist es auch
nur ein schwacher Trost, dass die Stagnation bereits unter seinem
Vorgänger einsetzte. Oder dass sein Herausforderer aus Bayern mit den
neuen Ländern noch weniger anzufangen weiß. Es bleibt dabei: Nur
kräftiges Wirtschaftswachstum vermag für neue Arbeitsplätze zwischen
Rostock und Suhl zu sorgen. Das ist jedoch vorerst nicht in Sicht.
Unabhängig davon, wer gerade in Berlin regiert."

Abschließend zitieren wir die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG zur Lage in Afghanistan nach der Ermordung des Vizepräsidenten Kadir:

"Afghanistan, dessen Einwohner Sicherheit und eine verlässliche Ordnung nur vom Hörensagen kennen, kann im Handumdrehen wieder zum Großexporteur von Rauschgift werden oder in traditionelle Rivalitäten zurückfallen. Wenn das Experiment einer vorsichtigen Hinwendung zur Demokratie fehlschlägt, wird es ein Land bleiben, in dem das Gespenst des Terrorismus sein regional oder territorial nicht begrenztes Unwesen treiben kann. (...) Die Hoffnung, mit dem Aufbau einer Polizei oder einer Armee sei die Sache erledigt, könnte sich als historischer Irrtum herausstellen."