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Pressestimmen von Dienstag, 7. März 2006

Miriam Petrowski 6. März 2006

BND-Affäre / Föderalismusreform

https://p.dw.com/p/856c

Innenpolitische Themen bestimmen an diesem Dienstag die Kommentare in den deutschen Tageszeitungen: Die so genannte BND-Affäre und die Föderalismusreform, die vom Bundeskabinett und von den Ministerpräsidenten der Länder gebilligt worden ist. - Nach den Grünen und der Linkspartei hat sich auch die FDP für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes im Irak ausgesprochen.

Das in Düsseldorf erscheinende HANDELSBLATT kommentiert:

"Die Liberalen haben zwar für den BND-Untersuchungsausschuss gestimmt und sind aus ihrer Sicht auf Kurs geblieben. Doch damit müssen sie auch die Verantwortung übernehmen, wenn aus dem Gremium nur ein Tribunal gegen die rot-grüne Friedenspolitik von Fischer und Schröder wird."

Für den GENERAL-ANZEIGER aus Bonn liegt die Ursache woanders:

"Die Regierung hat durch eine desaströse Informationspolitik ihren Teil dazu beigetragen, dass es jetzt doch zu einem Untersuchungsausschuss über die deutsche Irak-Politik kommt. Die große Koalition hat beispielsweise das BND-Engagement in Bagdad lange Zeit als Friedensdienst verharmlost, ehe sie scheibchenweise mit der Wahrheit über die geheimdienstliche Kooperation mit den USA an das Berliner Tageslicht kommen musste."

In der in Mainz erscheinenden ALLGEMEINEN ZEITUNG heißt es:

"Jetzt gehe es um die Bewertung des Gesamtpakets, so die FDP, also nicht mehr nur um BND-Späher in Bagdad, sondern um die Art und Weise, wie man mit Amerikas CIA beim Kampf gegen den internationalen Terror über Deutschlands Himmel kooperiert. Konzentriert sich die Opposition darauf, macht ein Untersuchungsausschuss Sinn und verkommt nicht zu einer eilig zusammengezimmerten Bühne für eine Opposition, die nach jedem Strohhalm greift, nur um gehört zu werden."

Anders argumentiert die in Berlin herausgegebende Tageszeitung DIE WELT:

"Es ist, als käme der BND-Untersuchungsausschuß vor allem deshalb zustande, weil sich Liberale, Grüne und Linkspartei auch einmal wohl fühlen wollen. Aber was sich selbst die FDP nun als Placebo verordnet, grenzt an Selbstverstümmelung. Denn der Ausschuß ist so nutzlos wie schädlich. Das politische Interesse der drei kleinen Parteien hat keine gemeinsame Stoßrichtung."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München sieht den Untersuchungsausschuss als richtigen Schritt:

"Nun werden die drei Oppositionsparteien den Untersuchungsauftrag klug formulieren müssen: am besten wäre es, auch CDU/CSU und SPD würden sich daran ordentlich beteiligen. Noch reden sie von «Realpolitik», von «Pragmatismus» und von der «Blauäugigkeit» derer, die meinen, sie könnten per Untersuchungsausschuss eine Idealpolitik fordern."

Und die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam schreibt:

"Am brisantesten ist die Frage, welche Aufklärung man sich denn erhofft. Niemand der damals Verantwortlichen hat den Vorwurf erhoben, der BND habe etwas Unrechtes getan. Vom Ex-Kanzler Gerhard Schröder über dessen Amts- und heutigen Außenminister bis hin zum Ex-Außenamtschef Joschka Fischer hat sich niemand über den BND empört, was nur bedeuten kann: Die Schlapphüte haben ihre Aufträge erfüllt."

Nun zur Föderalismusreform. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG beurteilt das Reformprojekt eher ironisch:

"Auch wenn jetzt das vereinbarte Paket «nicht mehr aufgeschnürt werden darf» ... und damit die Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat nur noch abnicken dürften, was andere eher informell beschlossen haben, soll es den Parlamenten künftig doch noch erlaubt sein, selbst Gesetze zu machen."

Dagegen stellt die BERLINER ZEITUNG fest:

"Eines der wichtigsten Themen haben die Föderalismusreformer vorsichtshalber ganz und gar ausgeklammert: Die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Dieses ungleich heiklere Projekt wollen die Parteien erst in einem nächsten Schritt angehen. Dass es wirklich zu einem Durchbruch kommt, ist höchst unwahrscheinlich. Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist also höchstens eine halbe Föderalismusreform, die handwerklich alles andere als überzeugt. Noch sind die notwendigen Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat ungewiss."

In der in Dresden erscheinenden SÄCHSISCHEN ZEITUNG heißt es:

"Die Zahl jener Gesetze, bei der der Bundesrat Ja sagen muss, sinkt von derzeit 60 auf 40 Prozent. Das ist immer noch ziemlich viel. Für dieses magere Ergebnis zahlt der Bund aber einen hohen Preis. In der Bildung, dem wichtigsten politischen Feld für die Zukunft, verliert er jedwede Gestaltungskraft. "

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU hebt hervor:

"Diese Reform braucht Widerspruch. Nicht, um sie zu verhindern. Sondern, um sie besser zu machen. Was allerdings bedeutet: Der vorgesehene Kompetenzzuwachs der Länder, der durch mehr Kleinstaaterei erkauft wird, sollte noch mal gründlich auf den Prüfstand. Auch deshalb, damit nicht der verhängnisvolle Fehler passiert, das Land in Zeiten europäischer Einigung in die falsche Richtung zu reformieren."

Ähnlich betrachten die NÜRNBERGER NACHRICHTEN die Reform:

"Die Mutter aller Reformen ist die Föderalismusreform gewiss nicht. Sie bringt in einigen Bereichen mehr Klarheit, schreibt aber auf den Gebieten der Bildung, des Umweltschutzes und des Strafvollzugs den Anachronismus der deutschen Kleinstaaterei unbeirrt fort. So viel zu den Nachteilen der Reform. Der Vorteil: Der Bundesrat kann von machtbesessenen Oppositionspolitikern nicht mehr so leicht wie bisher als Blockadeinstrument missbraucht werden."

Und die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt betont:

"Die Reform der Beziehungen zwischen Bund und Ländern ist wichtig und richtig. Und endlich scheint sich in dieser Frage etwas zu bewegen. Vor allem ist zu hoffen, dass die politische Blockade der Regierungsarbeit über den Bundesrat ein Ende findet. Die Zuweisung der alleinigen Verantwortung der Länder für die Bildung dürfte das deutsche Dilemma auf diesem für die Zukunft entscheidenden Feld eher verstärken."