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Pressestimmen von Dienstag, 5 April 2005

zusammengestellt von Frank Gerstenberg4. April 2005

Deutschlands Haushalts-Defizit / Fischers Schwierigkeiten im Auswärtigen Amt

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Die deutschen Tageszeitungen kommentieren das Frühjahrsgutachten der EU, das Deutschland ein schwaches Wirtschaftswachstum für 2005 prognostiziert. Auch die Auseinandersetzungen im Bundes- Außenministerium stehen im Blickpunkt. Führende Diplomaten haben sich in öffentlichen Erklärungen gegen Außenminister Joschka Fischer gestellt, weil er ehemaligen NSDAP-Mitgliedern seines Amtes keinen Nachruf mehr gewähren möchte.

Deutschland wird möglicherweise das vierte Mal in Folge den EU-Stabilitätspakt verletzen. Es darf allerdings die Integration Ostdeutschlands bei der EU strafmildernd geltend machen. Dazu schreibt die OSTSEE-ZEITUNG:

"Der Osten als Bleiklotz am Bein des deutschen Fortschritts? Am letzten Donnerstag huschten dagegen auf einer Innovationskonferenz des Bundesverbandes der Industrie neue Förderpläne für den Osten über die politische Bühne. Zum selbsttragenden Aufschwung führten allerdings schon ihre zahlreichen Vorgänger nicht. Es hilft alles nichts, die Deutschen müssen gemeinsam aus der Hüfte kommen."

In der OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera ist zu lesen:

"Die EU-Frühjahrsprognose rückt schließlich die jüngst ausgehandelte Neuinterpretation des Euro-Stabilitätspakts nachträglich in ein diffuses Licht. Unter Aufbietung aller diplomatischen Finessen hatte die Bundesregierung Ende März erreicht, dass Verstöße gegen die europäischen Schuldenobergrenzen nicht mehr so leicht geahndet werden. Wenige Tage später nun kommt jene als Reform verkaufte Aufweichung der Haushaltsregeln ausgerechnet dem gebeutelten Finanzminister Eichel wie gerufen. Dabei täte es gut, sich in Zeiten schmerzhafter Umbrüche verstärkt der Kontrolle und dem Leistungsvergleich in Europa auszusetzen. Die Frühjahrsprognose könnte mit Blick auf andere EU-Staaten schließlich auch Ansporn sein."

Die PFORZHEIMER ZEITUNG kommentiert:

"Der Rückstand des ehemaligen Wachstums-Wunderknaben Deutschland zu seinen Nachbarstaaten nimmt erschreckende Formen an. Da hilft es wenig, auf den exportschädigenden Euro-Kurs zu verweisen oder den Ölpreis als Entschuldigung ins Feld zu führen. Mehr oder weniger sämtliche EU-Mitgliedsstaaten sind in den zunehmend verflochtenen Volkswirtschaften davon betroffen. Der Dreh- und Angelpunkt für die deutsche Wachstumsschwäche ist und bleibt die mehr als schleppende Binnennachfrage."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU meint:

"Es bleibt wohl auch 2005 dabei: Die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union hat sich vom Musterschüler zum Sorgenkind gewandelt. Nirgendwo in Europa sind die Wachstumsraten kümmerlicher, nirgendwo wird der nationale Haushalt so konstant mit neuen Schulden finanziert. Natürlich beruhen die Zahlen auf Annahmen und können im Laufe des Jahres von einer wohlwollenderen Entwicklung überholt werden. Doch für positive Überraschungen, so erscheint es zumindest aus der Brüsseler Perspektive, fehlt es gerade in Berlin am nötigen Problembewusstsein."

Abschließend zu diesem Thema hören Sie die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG:

"Die Frühjahrsprognose der EU-Kommission stellt ein einziges Armutszeugnis für die Bundesregierung dar. Dass Deutschland zum vierten Mal in Folge gegen den Euro-Stabilitätspakt verstoßen dürfte, ist schon schlimm genug. Doch die letzte Position unter 25 EU-Staaten beim Thema Wachstum setzt dem Ganzen noch die traurige Krone auf. Aus der einstigen Lokomotive droht ein Bremsklotz für die Wirtschaft des Kontinents zu werden."

Die NÜRNBERGER ZEITUNG beschäftigt sich mit Außenminister Joschka Fischer:

"Fischer im Pech: Er wollte die Hauszeitung von braunen Flecken säubern und hat nun die halbe Behörde gegen sich. Er wollte mit dem Visa-Erlass das grenzenlose Europa vorwegnehmen und ist nun seine Reputation los - und womöglich auch bald sein Amt. Kein Wunder, dass er sich von Gegnern umstellt sieht. Sein größter Gegner heißt freilich Joschka Fischer."

Die BERLINER ZEITUNG bemerkt:

"Die Deutschen haben in Joschka Fischer den Politiker geschätzt, der kein Politiker war. Fischer war der Authentische. Autodidakt ist, wer sich selbst Lehrer war; was soll er auf andere hören? Authentisch ist, wer 'sich nicht verbiegen lässt', das ist der Einsichtslosigkeit benachbart. Nun haben die Deutschen einen Politiker, der anders ist als die anderen, und können sehen, was dabei herausgekommen ist."