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Pressestimmen von Dienstag, 31. Juli 2007

Thomas Grimmer 30. Juli 2007

Diskussion um Solidaritätszuschlag / Preissprung bei Milchprodukten

https://p.dw.com/p/BNhT

Braucht der Osten Deutschlands noch den Solidaritätszuschlag? Nach dem Bund der Steuerzahler fordern nun auch Politiker wie Unionsfraktionschef Volker Kauder und SPD-Finanzexperte Joachim Poß, den 'Soli' frühzeitig zu senken oder sogar ganz abzuschaffen. In den Kommentarspalten der deutschen Tagespresse stößt der Vorschlag auf ein unterschiedliches Echo.

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER meint:

'Jede Abgabe gehört regelmäßig auf den Prüfstand, um den Fiskus daran zu hindern, dass er fremdes Geld verwaltet und Steuern nicht um ihrer selbst willen da sind. Schließlich war der 'Soli' zunächst nur als Steuer auf Zeit gedacht, inzwischen bemerkt ihn kaum noch jemand auf seinem Gehaltszettel.'

Die Heidelberger RHEIN-NECKAR-ZEITUNG glaubt nicht, dass der Staat ein Interesse hat, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen:

'Eher geht das Kamel durch ein Nadelöhr, als dass eine Regierung, egal welche, auf eine leidlich akzeptierte Einnahmequelle verzichtet. Das gilt auch dann, wenn diese Quasi-Steuer partiell zweckentfremdet wird, wie es beim Solidaritätszuschlag geschieht. Parteiübergreifend beten die Raffkes der Koalition das Sprüchlein von der Haushaltskonsolidierung her. Und bestätigen damit den Vorwurf des Missbrauchs dieser Ergänzungsabgabe.'

Für die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt sind die Haushaltslöcher dagegen durchaus ein Argument, den 'Soli' beizubehalten:

'Wer immer in Überlegungen schwelgt, Steuern abzuschaffen, ignoriert, dass der Staat rote Zahlen schreibt und die Last von Zinsen und Tilgung des auf 1.500 Milliarden Euro gewachsenen Schuldenbergs unerträglich wird. Von Zeit zu Zeit jedoch juckt es die Politiker, ihrem Wähler mitzuteilen, zumindest nicht vergessen zu haben, über die Lockerung der Abgabenlast nachzudenken. Wenn schon klar ist, dass dies gegenwärtig nur Spekulation bleibt, lässt sich zumindest Reibung durch die Auswahl der gewünschten Streichung erzielen.'

Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz sieht es so:

'Erfunden wurde der Solidarzuschlag auch deshalb, weil sich der damalige Kanzler Helmut Kohl nicht traute, im Namen der deutschen Einheit die Lohn- und Einkommensteuer zu erhöhen. So hat der Soli das Steuersystem verkompliziert. (...) Sollte eine Neuordnung des Steuersystems je ihren Namen verdienen, müsste der Solidarzuschlag tatsächlich wegfallen (...). Doch Finanzminister Steinbrück hat eine Reform und Vereinfachung des Steuerrechts nicht auf seinem Radarschirm.'

Dem Kommentator der ESSLINGER ZEITUNG geht eine Streichung des Solidaritätszuschlags nicht weit genug:

'Wenn der Soli abgeschafft wird, sollten auch die horrenden Milliardensummen für den Aufbau Ost einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Die Qualität der Infrastruktur in den neuen Ländern hat teilweise ein Niveau erreicht, von dem die alten Länder nur träumen können. Wer daran zweifelt, schaue sich nur einmal die hypermodernen Flughäfen von Dresden oder Leipzig an und deren bescheidenes Passagieraufkommen. Es ist richtig, den Soli abzuschaffen. Konsequent ist es dann aber auch, 17 Jahre nach der Wende die Frage nach dem Sinn der Milliardensubventionen zu stellen.'

Themenwechsel: Für die angekündigten drastischen Preiserhöhungen bei Milchprodukten mag es zahlreiche Gründe geben. Ob die weltweite Verknappung der Milcherzeugnisse, die wachsende Nachfrage aus Asien und Osteuropa und die steigenden Erzeugerpreise aber gleich einen Anstieg um bis zu 50 Prozent rechtfertigen?

Der WIESBADENER KURIER hat da so seine Zweifel:

'Von der weithin unbekannten 'Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst und Ernährungswirtschaft' ohne wirklich konkrete Zahlenbasis verkündet, gilt die Preiserhöhung quasi als beschlossene Sache. Das weckt den Verdacht, dass wir Verbraucher abgezockt werden sollen. Besonders der angekündigte Anstieg um bis zu 50 Prozent bei Milchprodukten lässt Böses ahnen: Denn der fünfprozentige Zuschlag auf die Preise der Landwirte kann diese Marge beim Handel wohl nicht rechtfertigen, die wachsende Nachfrage nach Trockenmilch aus Fernost (schon wieder sind die Chinesen schuld) auch nur zum Teil. Das nährt die Vermutung, dass der Handel mal eben seine Handelsspanne aufbessern will.'

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam meint dagegen:

'Von 'Abzocke' kann bei der Milchindustrie keine Rede sein. Selbst mit der jetzt angekündigten Preiserhöhung wäre bei Butter gerade das Preisniveau von vor 15 Jahren erreicht. Bisher war mehr als genug Milch auf dem Markt und die Handelsketten spielten die Lieferanten gegeneinander aus. Doch jetzt ist Schluss mit billig. (...) Mit dem wachsenden Wohlstand in Ländern wie Russland, China oder Indien steigt dort die Nachfrage nach hochwertigen Milchprodukten. Ein Preisanstieg könnte nur verhindert werden, wenn die Bauern die Milchproduktion kurzfristig steigern könnten - das aber verhindert die von der EU festgesetzte Milchquote. Dieses Instrument, das aus Zeiten der Milchseen und Butterberge stammt, gehört abgeschafft.'

Ähnlich sieht es die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

'Die Tanks und Kühlhäuser leeren sich schon seit einiger Zeit, weil auf dem Weltmarkt die Nachfrage nach Milch und Milchprodukten aus Europa gewachsen ist und die europäischen Bauern weniger produzieren, als sie könnten. Das verhindert die EU nach wie vor mit ihrem Quotensystem, das - hier zeigt sich schon der ganze Irrsinn dieser Planwirtschaft - der Überproduktion von subventionierter Milch Einhalt gebieten sollte.'

Abschließend noch ein Blick in die Lüneburger LANDESZEITUNG:

'Die Milch macht einen Preissprung und der Verbraucher fühlt sich gemolken. Der Frust an der Käsetheke ist zwar nachvollziehbar, aber nicht gerechtfertigt. Jahrelang schöpften die Verbraucher bei fallenden Preisen den Rahm auf Kosten der Erzeuger ab. Kaum ein Volk schätzt den Wert von Lebensmitteln so gering ein wie das deutsche. Kommt der Preissprung in erster Linie den Milchbauern zu Gute und nicht dem Lebensmittelhandel, ist er zu begrüßen. (...) Ein Aufschrei der Empörung wäre gerechtfertigt, wenn Milch je wieder billiger werden sollte als Wasser.