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Pressestimmen von Dienstag, 30. März 2004

ausgewählt von Ulrike Quast29. März 2004

Niederlage der französischen Konservativen / Erinnerung an Peter Ustinow

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Die Franzosen haben das bürgerliche Regierungsbündnis von Präsident Jacques Chirac auch in der zweiten Runde der Regionalwahlen für die harte Sparpolitik und die Sozialreformen abgestraft. Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse stellen nun die Frage, ob dieses Wählerverhalten symptomatisch für Europas Bürger ist.

Hierzu zunächst die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Die schmetternde Niederlage der Konservativen bei den Regional- Wahlen in Frankreich liefert das jüngste Beispiel für die europäische Malaise, wie sie schon in Deutschland, aber auch in Polen oder Italien wirkt. Zentrale innenpolitische Themen sind wirtschaftlicher Stillstand, Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst. Glaubt man den Umfragen in all diesen Ländern, akzeptiert die Öffentlichkeit diesen Themenkatalog und weiß auch, dass der überalterte westeuropäische Wohlfahrtsstaat reformiert werden muss, wenn er überleben soll. Es werden Regierungen gewählt, die mit großem Aplomb diese Reformen versprechen - aber dann kläglich scheitern."

Der Berliner TAGESSPIEGEL kommt zu dem Schluss:

"Auch die Franzosen haben ihrer konservativen Regierung an der Wahlurne gerade eins ausgewischt, weil sie darauf beharrten, dass Reformen des Sozialstaates bitte schmerzfrei abzulaufen hätten. Und die deutschen Sozialdemokraten haben seit der rot-grünen Regierungs- übernahme in Bonn 1998 serienweise Schlappen bei Landtagswahlen einstecken müssen. Die Bürger wollen keine Reformen, die wehtun, und wenn sie in der Theorie auch noch so felsenfest davon überzeugt sind, dass man zurückstecken müsse. Ist jede Regierung, die dem Bürger etwas wegnimmt, bei der nächsten Wahl unweigerlich dem Untergang geweiht?"

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt:

"Führende Politiker des bürgerlichen Lagers in Frankreich versuchen gar nicht erst, das Desaster der Regionalwahlen verharmlosend zu beschreiben. ... Schon am Wahlabend hieß es bei den Geschlagenen, eine Umbildung des Kabinetts der Zentralregierung werde nicht ausreichen, um auf den Zorn der Bürger zu reagieren. Notwendig sei auch eine andere Akzentuierung der Politik, die künftig Reformbereitschaft mit einer stärkeren Berücksichtigung sozialer Belange verbinden müsse. Im Klartext bedeutet dies: Einschneidende Reformen, die in der Öffentlichkeit auf Kritik stoßen könnten, werden nun entweder entschärft oder auf die lange Bank geschoben."

Abschließend zu diesem Thema die STUTTGARTER NACHRICHTEN:

"Chirac wird den Umbau der Gesellschaft nicht aufgeben. ... Es steht aber zu befürchten, dass die Linke mit neuem Selbstbewusstsein im Verein mit den Gewerkschaften weitere Neuerungen rundweg ablehnt. Sie wird zwar in der Nationalversammlung, wo Chiracs Bataillone sitzen, nicht viel ausrichten können. Aber auf der Straße. Dazu fühlt sie sich jetzt vom Wähler ermutigt. Und Chirac? Er wird auf Reformkurs bleiben, wenn auch mit geringerem Tempo. Gerhard Schröder macht es ihm vor."

Die "t.z." aus München würdigt das Lebenswerk des Schauspielers Sir Peter Ustinow, der in der Nacht zum Montag verstorben ist.

"Am stärksten wird uns das Lächeln im Gedächtnis bleiben. Dieser kleine, listige Gesichtsausdruck, bei dem die Augen immer ein bisschen mehr zu wissen schienen, als der Mund grade sagte. Es war wohl dieser leise, niemals polternde Humor, den die Menschen so geliebt haben am großen Sir Peter Ustinov. Nur nichts allzu Ernst nehmen, strahlte er aus: Kein Anliegen so wichtig, dass man darüber verbissen werden sollte. Und dabei hatte er doch Anliegen genug. Allein seine Romane, Dramen und Drehbücher wären bei anderen schon genug, um zwei Menschenleben auszufüllen -- und da haben wir von der Schauspielerei, haben von den Inszenierungen noch gar nicht geredet. Aber Ustinov hat auch da noch nicht Halt gemacht. Hat die Zuneigung, die ihm überall entgegenschlug, in Hilfe für andere umgemünzt."

Der Kölner EXPRESS meint:

"Sir Peter, der Einzigartige, ist weder nachzuahmen noch zu kopieren. Sinn macht, wenn wir alle über die Leichtigkeit nachdenken, mit der Peter Ustinov das Leben betrachtete: selbst dem Schrecklichen das Gute abgewinnen. Wenn es eine lebendige EU, einen lebenden Weltfrieden gab, hießen sie Ustinov. ... In seinem Sinne ihn zu würdigen, bedeutet: seine Gedanken weiterführen. Für Kinder da sein, Ländergrenzen nur als Strich auf dem Globus und nicht als Völkertrennung verstehen."