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Pressestimmen von Dienstag, 28. Oktober 2003

zusammengestellt von Gerd Winkelmann 27. Oktober 2003

SPD-Erdrutsch in Brandenburg / DGB und CSU / Iraks Schicksal

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Die Schuldzuweisung nach der Erdrutsch-Niederlage der SPD im Kampf um Brandenburgs Rathäuser kam postwendend: Ministerpräsident Matthias Platzeck mutmaßte Kanzler und Bundesregierung in der Verantwortung für das Debakel. Ähnlich sieht es an diesem Dienstag der Leitartikler der BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG:

'Derzeit ist es schlicht ein Höllenjob, mit SPD-Parteibuch in den politischen Ring zu steigen. Die Brandenburger Wähler waren und sind empört oder zumindest tief verunsichert angesichts der Reformpolitik der Bundesregierung - vermutlich beides. (...) Nach jahrelangem Zögern der Bundesregierung muten selbst ihre ersten Reformschritte wie unkoordiniertes Stolpern mit ungewissem Ausgang an. Die Koalition hat damit das Vertrauen in ihre Kompetenz gründlich verspielt. Dieser Verlust wirkt sich bis in die feinsten Verästelungen der stärksten Regierungspartei aus.'

Die Tageszeitung DIE WELT schreibt dazu:

'Wenn Gerhard Schröder will, kann er jetzt die Augen ganz fest schließen. Denn natürlich haben Kommunalwahlen wie in Brandenburg, in denen es in erster Linie um Personen und dann um kommunale Projekte wie Kindertagesstätten, Kläranlagen und Gemeindegrenzen geht, erst einmal gar nichts mit dem Bund zu tun. Insofern tönt aus Brandenburg eben kein 'bundespolitisches Signal'. Für die SPD ist es eine weitere Niederlage in einer Reihe von Niederlagen, für die CDU gab es zusätzlichen Aufwind, der der bemerkenswert gut aufgestellten Partei half. Und die PDS ist auch wieder da.'

Hier ein Blick in die Kommentarspalte des NEUEN DEUTSCHLAND:

'Bei den Kommunalwahlen am Sonntag in Brandenburg gibt es keine Sieger. Gewonnen hat höchstens die imaginäre Partei der Nichtwähler. Wenn nicht einmal die Hälfte der stimmberechtigten Bürger an die Urne eilt, dann reichen Regen und Frost nicht aus, um das zu erklären. Hier spielten Resignation und Frust die Hauptrolle. Zum Wahlrecht gehört das Recht des Bürgers, auf die Stimmabgabe zu verzichten. Obwohl diese Verweigerung ein demokratisches Recht ist, leidet die Demokratie darunter. Wenn die Volksvertreter in den Kommunal-Parlamenten jetzt das Wort erheben, sprechen sie nicht mehr für die Mehrheit.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint zum Thema:

'Das könnte es sein, was die Leute von der SPD oder gar der Urne wegtreibt: Die Idee, es ginge auch anders, hat im Spektrum der Parteien immer weniger Platz. Wer - nicht unrealistisch, aber über den Tag hinaus - politisch oder wissenschaftlich an Alternativen arbeitet oder wer sie als Wähler einfach wünscht, findet im politischen Raum kaum noch Gehör. (...) Das ist nicht nur schade, weil es fantasievolle Lösungen in der Sache bremst. Es ist auch gefährlich: Es gibt keinen geeigneteren Platz für Populisten als das Vakuum, das ein allzu schmaler politischer Mainstream lässt.'

Die 'TZ' aus München widmet sich dem neuen Schulterschluss von CSU und Gewerkschaften:

'Verheiratet waren sie ja nie, die SPD und der DGB. Aber sie sind doch immer 'Seit' an Seit' geschritten, vor allem, wenn's um die Belange der Arbeitnehmer ging. Aus und vorbei. Zu tief sitzt der Frust im Gewerkschaftslager über den 'Kanzler der Bosse'. Der DGB hat sich auf die Suche nach einem neuen Partner gemacht und offenbar die Orientierung verloren. Gewiss, niemand wird behaupten können, dass die CSU im allgemeinen und Edmund Stoiber im besonderen bislang Gewerkschaftsfeinde waren. Aber neue Hoffnungsträger für die Arbeiterbewegung? Was DGB und Stoiber eint ist, dass sie beide Schröders Reform-Kurs ablehnen. Aber da endet auch schon die Gemeinsamkeit.'

Zu guter Letzt ein Blick in die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Die neuen Bomben in Bagdad veranlassten folgende Kommentar-Zeilen:

'Es geht im Irak um noch mehr als ums amerikanische Selbstverständnis und Washingtons Rolle in der Welt. Es geht zunächst um das Schicksal von 24 Millionen Irakern, die in ihrer Mehrheit trotz des wachsenden Hasses auf die Besatzungsmacht ganz gewiss keine Rückkehr der alten Despotie wollen. Ihnen nach Jahrzehnten der Unterdrückung zu helfen, ist eine Aufgabe für die gesamte Welt- Gemeinschaft. Diese Verpflichtung lässt keinen Raum für klammheimliche Genugtuung über die bitteren Lektionen, die Amerikas Falken nun lernen müssen.'