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Pressestimmen von Dienstag, 27. April 2004

Reinhard Kleber26. April 2004

Pharma-Fusion Aventis/Sanofi - Folgen des Zypern-Referendums

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen konzentrieren sich auf die Übernahmeschlacht um den deutsch-französischen Pharma-Konzern Aventis. Außerdem befassen sie sich mit den Folgen des gescheiterten Referendums auf Zypern.

Die Berliner Zeitung DIE WELT rügt das Eingreifen Frankreichs in den Fusionspoker um Aventis:

"Die Franzosen haben wieder einmal demonstriert, warum die europäische Wirtschaft langsamer wächst als andere. Vor allem die Interventionen des Premierministers haben zur zweitbesten Lösung geführt: Der Pharmakonzern Aventis wird nicht mit der Schweizer Novartis fusionieren, sondern von der kleineren Sanofi geschluckt. Was für Frankreich gut ist, ist aus europäischer Sicht ein Trauertag. Deshalb scheint es lobenswert, wenn Kanzler Schröder die Neutralität der Politik in Unternehmensfragen anmahnt. Kann aber diese Position Bestand haben, wenn sich die Politiker Frankreichs, Japans oder auch der USA nicht daran halten? Nationale Abschottung wäre sicher die falsche Antwort."

Auch die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND gibt sich skeptisch:

"Ob Aventis mit seinem neuen, wesentlich kleineren Partner die beste Wahl getroffen hat, ist zweifelhaft. Monatelang hatte der französisch-deutsche Konzern gegen die Übernahme gekämpft und nach Alternativen gesucht. Auf dem wichtigen US-Markt etwa ist Novartis deutlich besser aufgestellt als Sanofi. Zudem hätten die Produkte der Schweizer die Aventis-Palette wesentlich besser ergänzt. Auch die Patente von Novartis sind sicher - anders als die von bedeutenden Sanofi-Produkten, die mittelfristig bedroht sind. Gegen die massive Einflussnahme der französischen Regierung aber hatten die Schweizer keine Chance."

Auf eine europäische Lösung jenseits der nationalen Interessen drängt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Wenn ein geeintes Europa tatsächlich als 'global player' auftreten will, muss es diese 'Konkurrenz' unter den nationalen Volkswirtschaften nicht nur aushalten, sondern den Versuch unternehmen, sie zu steuern - im Sinne einer Arbeitsteilung: Alle profitieren, wenn einer auf dem globalisierten Markt zum Zuge kommt. Die Abwanderung von Arbeitsplätzen, aber auch und gerade von zukunftsträchtigen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, wird nicht durch Wehklagen (...) gestoppt, sondern - wenn überhaupt - nur durch entschlossenes Handeln."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE gewinnt der Übernahme dagegen eher positive Seiten ab:

"Die deutschen Mitarbeiter des Pharmakonzerns Aventis in Frankfurt (...) haben guten Grund, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen. Denn Aventis war und ist für Sanofi nicht nur wegen seines Amerika-Geschäfts attraktiv. Verlockend war auch, daß Sanofi mit der Insulin-Produktion im Frankfurter Stadtteil Höchst die wohl modernste Anlage ihrer Art auf der Welt kaufen wird. Im dortigen Industriepark hat Aventis in den vergangenen vier Jahren mehr als eine Milliarde Euro investiert. (...) Eine so moderne Produktion erwirbt man nicht, um sie aufzugeben - man will sie haben."

Themenwechsel: Angesichts des Ausgangs der Volksabstimmung auf Zypern denkt die NÜRNBERGER ZEITUNG über die längerfristigen Folgen nach.

"Wenn die EU an diesem Samstag mit der Erweiterung ein Jahrhundert-Ereignis der Völkerverständigung feiert, wird sie auch nach Zypern blicken, auf Stacheldraht und Mauern, die die Hauptstadt Nikosia teilen. Und sie wird die Vertreter Zyperns spüren lassen, wem ihre Sympathie gilt: den türkischen Zyprioten, denen die Tür zum vereinten Europa vor der Nase zugeschlagen worden ist. Letztlich wird der Norden Zyperns aus seiner Niederlage doch profitieren. Die EU denkt bereits darüber nach, dessen wirtschaftliche und politische Isolierung zu beenden. Damit würde aus dem Nein der Griechen zumindest ein Ja der internationalen Gemeinschaft."

Dagegen schlägt das HANDELSBLATT aus Düsseldorf den Bogen zur Debatte über Volksabstimmungen über die geplante EU-Verfassung.

"Man kann kann bezweifeln, ob hier zu Lande ein komplexes EU-Thema der beste Startpunkt für den Sprung ins kalte Wasser wäre. Ärgerlich ist aber, dass viele Politiker aus der Koalition mittlerweile so wirken, als hätten sie nie vorgehabt, mehr plebiszitäre Elemente zu verankern. Unhistorisch ist es zu vermuten, die deutsche Bevölkerung sei in Sachen Europa generell skeptisch. Und schließlich ist es unpolitisch, ein Referendum abzulehnen, ohne zu sagen, wie denn anders die europäische Integration ein Thema werden kann, mit dem sich die breite Öffentlichkeit auseinander setzt."

Das war die Presseschau.