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Pressestimmen von Dienstag, 26. März 2002

zusammengestellt von Frank Gerstenberg.25. März 2002

Das Zuwanderungsgesetz als Theaterstück / Freispruch für Nigerianerin / Krise bei Kirch

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Erneut steht das Thema Zuwanderung im Blickpunkt. Der Anlass diesmal: Führende Unionspolitiker gaben zu, dass ihre Entrüstung bei der Abstimmung am Freitag nur gespielt war. Außerdem befassen sich die Kommentatoren mit dem Freispruch für die zum Tode verurteilte Nigerianerin Safiya Hussaini. Auch die Krise des Medienunternehmers Kirch bleibt auf der Agenda.

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder schreibt zur Bundesratsentscheidung über die Zuwanderung:

"Was sich da am Freitag in Berlin abspielte, war ein Trauerspiel und eine Groteske zugleich - und allemal eine Farce. Mit dem Eingeständnis des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller, den Eklat im Bundesrat als legitimes Theater inszeniert zu haben, sorgt die Union nicht nur für Unmut in den eigenen Reihen und für neuen Wirbel im Zuwanderungsstreit. Sie leistet einen gehörigen Beitrag zur Politikverdrossenheit. Vom eigentlichen Anlass, dem Gesetz, das Grundlage sein soll für einen etwas redlicheren Umgang dieser Gesellschaft mit Menschen fremder Herkunft, ist nur noch am Rande die Rede. Die Verwalter der bundesdeutschen Demokratie haben eine mehr als beschämende Vorstellung abgeliefert."

Der MANNHEIMER MORGEN ist der Meinung:

"Mit diesem Theater haben sich Union wie SPD gehörig blamiert. Eine für Deutschland so essenzielle Frage wie die Regelung der Zuwanderung hätte eine lebhafte, aber ehrliche Schlussabstimmung verdient gehabt. Und eine, die gleich für klare Verhältnisse sorgt, anstatt das endgültige Ja oder Nein in die Hände des Bundespräsidenten oder der Verfassungsrichter zu legen. Der pure Wahlkampf sollte anderswo gegeben werden."

Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster fragen sich:

"Welcher Teufel hat den CDU-Ministerpräsidenten Müller geritten, sich jetzt als einer der Hauptdarsteller der vereinbarten und dann medienwirksam inszenierten Empörung zu offenbaren? Wenn sich Müller von CSU-Chef Stoiber und der CDU-Vorsitzenden Merkel in der Sache gegängelt fühlt, dann hätte er das mit ihnen parteiintern austragen sollen. So hat er dem Anliegen seiner Partei, in einem Vermittlungsverfahren doch noch Änderungen am Gesetz zu erreichen, einen Bärendienst erwiesen."

Die in Berlin erscheinende TAZ macht auf einen weiteren Aspekt aufmerksam:

"Edmund Stoiber will keinen Ausländerwahlkampf, viel mehr möchte er Gerhard Schröder in den Bereichen der Wirtschafts- und der Arbeitsmarktpolitik herausfordern. Das mag so sein, ändert aber nichts daran, dass das parlamentarische Trauerspiel um das Einwanderungsgesetz schon bald seine Opfer auf der Straße finden wird. Denn seit zwanzig Jahren haben polarisierende Debatten der politischen Eliten zum Thema Ausländer dazu geführt, dass sich rassistische (Tot-)Schläger ermuntert fühlten."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU befasst sich mit dem Freispruch für die Nigerianerin Safiya Hussaini, die nach einer Vergewaltigung zum Tode verurteilt worden war. Das Blatt fragt:

"Ein Sieg der Gerechtigkeit und Humanität? Eine 35-jährige Nigerianerin, die als Geschiedene ein Kind zur Welt brachte, wird nicht zu Tode gesteinigt. Doch Safiya Husainis Freispruch durch ein islamisches Berufungsgericht im Bundesstaat Sokoto hilft nur ihr persönlich. Die Lage der Frauen im Norden Nigerias hat sich dadurch nicht verbessert. Dass islamische Gerichte im Norden Nigerias mittelalterliche Strafen verhängen, ist ein permanenter Skandal und eine Verletzung internationaler Menschenrechte. Europa und die USA, die in Nigeria Öl einkaufen, müssen stärker als bisher Einfluss nehmen. Mit Ländern, in denen Menschen zu Tode gesteinigt werden, sollte man keine Geschäfte machen."

Auch der WIESBADENER KURIER appelliert an die Internationale Gemeinschaft:

"Es wäre an der Zeit, die Blutjustiz in Nigeria, Saudi-Arabien oder anderswo nicht länger allein dem Protest von Menschenrechtsgruppen zu überlassen. Doch staatlicher Druck oder UN-Sanktionen kommen nicht zu Stande - sei es aus politisch-ökonomischer Rücksicht auf die islamischen Ölmächte, sei es aus falschverstandener kulturellreligiöser Nichteinmischung. Dabei ist die Rechtspraxis in vielen islamischen Ländern dem Grunde nach genauso terroristisch wie das Wirken von El Kaida. Nur erreicht in diesem Fall der Terror nicht New York sondern nur die eigene Bevölkerung."

Hören Sie zum Abschluss einen Kommentar zur Lage bei dem angeschlagenen Medienunternehmen Kirch:

"Leo Kirch ist in seinem Leben immer riskante Engagements eingegangen. Immer wieder fand er einen Weg aus scheinbar ausweglosen Situationen. Doch jetzt bricht das Kartenhaus zusammen. Der Konzern sei wie ein besserer Handwerksbetrieb geführt worden, heißt es abfällig bei den Banken. Und das stimmt im Kern. Die strategischen Entscheidungen wurden bis zuletzt vom in die Jahre gekommenen Kirch selbst getroffen. Es gab keine Kontrollinstanz, kein gut funktionierendes Controlling und offenbar keine langfristige Finanzplanung. Zudem ist das Kirch-Firmengeflecht nach wie vor undurchsichtig. Wie stark die Abhängigkeiten zwischen den Konzerngesellschaften sind, weiß kaum jemand. Das Drama Kirch wird weitergehen - auch ohne Hauptdarsteller Leo."