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Pressestimmen von Dienstag, 21. Dezember 2004

zusammengestellt von Gerd Winkelmann 20. Dezember 2004

CDU-General Meyer bleibt vorerst / Das Folter-Urteil von Frankfurt

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CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer darf trotz seiner Affäre um Zahlungen des Stromkonzerns RWE im Amt bleiben. CDU-Chefin Angela Merkel akzeptierte dessen öffentliche Erklärung und beließ ihn trotz heftigen innerparteilichen Drucks auf seinem Posten. Die WETZLARER NEUE ZEITUNG kommentiert dazu an diesem Dienstag:

'Hätte Meyer von vornherein die RWE-Bezüge offengelegt, wäre die Beurteilung durch eine jetzt zu Recht empörte Öffentlichkeit sicher milder ausgefallen. So aber hat die Politik, die mit dem Scheitern der Föderalismuskommision gerade erst ihre Unfähigkeit zur inneren Reform bewiesen hat, einen weiteren Imageschaden für sich selbst produziert. Der Fall Meyer - und darin liegt seine eigentliche Tragik - hat das demokratische System wieder ein Stück instabiler gemacht.'

Im HANDELSBLATT lesen wir zum gleichen Thema:

'Dabei wirft der 'Fall Meyer', dem ja der 'Fall Arentz' vorausging und dem mit Sicherheit noch der ein oder andere Fall nachfolgen wird, sehr viele weiter gehende Fragen auf. Etwa die nach dem Verhältnis von Wirtschaft und Politik. Es ist ja kein Wunder, dass sich beide Politiker im Geflecht politiknaher Konzerne wie den RWE verheddert haben. Zu ihnen gehören in Nordrhein-Westfalen beispielsweise die WestLB, Ruhrgas aber auch Veba. Sie alle haben in der Vergangenheit alles daran gesetzt, Politiker jedweder Couleur vor allem im Landtag und in den Kommunen durch lukrative Verträge an sich zu binden. Politische Landschaftspflege heißt dies.'

Breiten Raum nimmt in den Kommentaren der deutschen Tagespresse das so genannte 'Folter-Urteil' von Frankfurt ein. Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg meint:

'Das Urteil gegen Wolfgang Daschner wird manchen nicht gefallen - denen nicht, die unbedingt seinen Freispruch wollten, und denen nicht, die ein härteres Urteil im Namen des Rechtsstaates forderten. Viele aber werden erkennen, dass die Frankfurter Richter einen guten Weg zwischen grundsätzlichen Rechtsproblemen und individueller Schuld gefunden haben. Die Prozessbeteiligten sahen das auch so - alle nahmen das Urteil sofort an. Das, dies sei angemerkt, ist eher selten bei Prozessen dieser Bedeutung.'

Skepsis finden wir dazu in der FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'Beamte, die in Zukunft das Leben entführter Kinder retten wollen, werden es schwerer haben, sich in ihrem Handeln auf die Rechtsordnung zu berufen. Was wird passieren, wenn verzweifelte Eltern auf dem Polizeipräsidium auftauchen und dem Behördenleiter für die Anwendung unerlaubter Verhörmethoden Geld anbieten? Nicht weil sie ihn bestechen wollten, sondern im Sinne einer vorauseilenden Entschädigung für die Geldstrafe, die den Beamten möglicherweise erwartet? (...) Mancher mag das Urteil für angemessen halten. Die Grenzen des Rechtsstaats sichert es nicht.'

Für die LANDESZEITUNG in Lüneburg liegt der Fall folgendermaßen:

'Das milde Urteil gegen Wolfgang Daschner muss dem 61-Jährigen wie ein Freispruch vorkommen. Und das ist gut so. Was hat dieser Mann in den vergangenen Wochen alles durchgemacht. Fast gewann der Prozessbeobachter den Eindruck, hier säße der Mörder auf der Anklagebank und nicht der, der das Verbrechen verhindern wollte. Der Frankfurter Vize-Polizeipräsident drohte dem später zu lebenslanger Haft verurteilten Magnus Gäfgen mit Folter, was gegen das Recht auf Menschenwürde verstößt. Das ist ein manchmal nur schwer zu verdauender Pluspunkt des Rechtsstaates: Er garantiert sogar einem Mörder die Würde, der das Leben eines Jungen auslöscht.'

Zuletzt noch ein Blick in die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

'Der Halbfreispruch hätte ein salomonisches Urteil sein können, wenn Daschner sich seines Handelns nicht bis zuletzt gebrüstet hätte. Sein Verhalten nach der Tat, seine fehlende Unrechtseinsicht, sein Stolz auf sich selbst: Das alles und die Verteidigung der Rechtsordnung standen dem Halbfreispruch entgegen. Wenn Daschner behauptet, eine Folterdrohung sei richtig gewesen und werde auch in Zukunft richtig sein - dann besteht Wiederholungsgefahr. Sie steht dem Halbfreispruch entgegen. Die gesetzlichen Voraussetzungen liegen nicht vor. Überdies hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Folterandrohung mitnichten Daschners verzweifeltes 'letztes Mittel' war, wie er selbst behauptete. Er hat sich über die Warnungen anderer Polizeibeamter hinweggesetzt. Er hat angekündigt, beim nächsten Mal wieder so zu handeln.'