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Pressestimmen von Dienstag, 15. Juni 2004

zusammengestellt von Eleonore Uhlich14. Juni 2004

Geringe Beteiligung bei Europawahl/ Stimmenverluste der SPD

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Die Europawahl und die herben Stimmenverluste der SPD stehen nochmals im Blickpunkt der Kommentare deutscher Tageszeitungen.

Der FRÄNKISCHE TAG aus Bamberg beschäftigt sich mit der geringen Beteiligung an der Wahl zum Europaparlament:

"Seltsamerweise hat die Beteiligung an Europawahlen stetig abgenommen, während zugleich die Machtbefugnisse der Euro-Parlamentarier kontinuierlich anwuchsen. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung bleibt Brüssel kompliziert, irgendwie bürokratisch-seelenlos und taugt daher bestens als Prellbock für Ärger aller Art."

Die in Karlsruhe erscheinenden BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN schreiben:

"Europa leidet nicht unter einem Bedeutungs-, sondern unter einem Aufmerksamkeitsdefizit. Während eines echten EU-Wahlkampfs würden die Wähler schnell merken, dass sie den Einfluss der nationalen Politiker meist über- und den der europäischen Abgeordneten genauso häufig unterschätzen. Dazu müssten die Berliner Volksvertreter allerdings eingestehen, dass sie oft nicht mehr als die Erfüllungs- gehilfen ihrer Brüsseler Kollegen sind."

Das Düsseldorfer HANDELSBLATT meint die Gründe für das fehlende Wählerinteresse ausgemacht zu haben:

"In zwei entscheidenden Fragen haben sich die Parlamentarier von den Regierungen wie dumme Jungens in die Ecke schicken lassen. Sie haben mit angesehen, wie die großen Mitgliedstaaten mit dem Stabilitätspakt das Recht durch das Recht des Stärkeren ersetzt haben. Und sie haben sich nach guter Vorbereitung im EU-Konvent die Verfassung von den Exekutiven aus der Hand nehmen lassen. Das Europaparlament muss in solchen politischen Schlüsselfragen streitfähig werden, auch wenn das zu einer Krise der Institutionen führt. Ist es dazu nicht fähig, wird ihm mit den Wählern bald die politische Legitimation abhanden kommen."

Ursachenforschung betreiben auch die Kommentatoren, die auf die Wahlschlappe der SPD eingehen.

Zunächst die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam:

"Die SPD ist vor mehr als einhundert Jahren angetreten als eine Betreuungs- und Fürsorgepartei. Hier lag bis vor kurzem auch die Hauptkompetenz-Zuweisung durch die Wähler, nicht im Reformieren und Verschlanken der Sozialsysteme. Die SPD ist schlicht die falsche Partei am richtigen Ort."

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld fügt hinzu:

"In einem Punkt kann die SPD von den Grünen lernen. Denn es zeigt sich immer wieder, dass die grünen Parteifunktionäre ganz anders als ihre SPD-Kollegen von den Reformschritten der Agenda 2010 überzeugt sind. Wenn alle SPD-Funktionsträger genauso offensiv und unerschrocken für schmerzliche Reformen beim Wähler werben würden, stünde die SPD heute besser da."

Zur Ankündigung des Kanzlers, weiterzumachen wie bisher, meint die DIE WELT:

"Nichts passt zusammen, weder das Programm noch die Richtung, das Handwerk, die Köpfe und insbesondere nicht Kanzler und Partei. Bei aller Anerkennung der Agenda 2010: Die Konjunktur lahmt weiter, denn die Impulse sind viel zu schwach. In diesem Lichte besehen, wirken die Worte des Bundeskanzlers -bei allem Wissen um seine Spielernatur- stark. Nicht im lutherischen Sinne des 'Hier stehe ich, ich kann nicht anders', denn das verhieß Aufbruch. Den deutschen Kanzler treibt trotzige Resignation."

Die STUTTGARTER ZEITUNG meint dagegen:

"Schröder und die SPD haben keine Wahl: Sie müssen tapfer Kurs halten und weiter auf die wirtschaftliche Wende hoffen. Der Union würde es nicht anders ergehen. Darum ist sie in Wahrheit dankbar, dass erst 2006 im Bund gewählt wird. So kann man schöne Siege feiern."

Zum Schluss der TAGESSPIEGEL aus Berlin, der sich um die Zukunft des Kanzlers sorgt:

"Einen einfachen Mechanismus, mit dem die Wähler Kanzler Schröder vor 2006 aus dem Amt treiben können, gibt es nicht. Und keinen Weg, wie SPD-Chef Müntefering die Massenflucht der SPD-Anhänger stoppen könnte, bis im nächsten Mai in Nordrhein-Westfalen Landtagswahl ist. Es sieht so aus, als hielte Schröder dem Druck der Wähler stand, weil er an seine Sache glaubt. Es ist aber eine ungeduldige Weltveränderungspartei, die der Kanzler im Bundestag hinter sich bringen muss. Wenn die sich bei nächster Gelegenheit verweigert, will er dann noch?", fragt der TAGESSPIEGEL, mit dem wir unsere Presseschau beenden.