1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Dienstag, 14. März 2006

Thomas Grimmer13. März 2006

Tarifstreit im öffentlichen Dienst / Geplante Schering-Übernahme

https://p.dw.com/p/86uw
Der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst und die Übernahmeofferte des Darmstädter Pharmakonzerns Merck, der seinen Berliner Konkurrenten Schering kaufen will, bestimmen die Kommentare in den deutschen Tageszeitungen. Zunächst zum Tarifstreit, in dessen Verlauf zuletzt der Verhandlungsführer der Länder, Möllring, insbesondere von SPD-Politikern scharf kritisiert wurde.

Der Kölner EXPRESS sieht Möllring demgegenüber als Fels in der Brandung:

"Verdi gegen alle, Arbeitgeber gegen Arbeitgeber, Sozialdemokraten gegen Christdemokraten und umgekehrt. Der Streik im Öffentlichen Dienst treibt immer seltsamere Blüten. Dass Verhandlungsführer Möllring in dieser verfahrenen Situation hart bleibt, verdient Respekt. Ein klares Verhandlungsmandat jetzt in Frage zu stellen, wäre nichts anders als das Eingeständnis einer Niederlage - der Hofknicks vor Verdi. Wer jetzt Möllring als harten Knochen kritisiert, muss sich fragen lassen, was das ganze Theater der letzten Streikwochen sollte. Müssen plötzlich einige Länder oder Kommunen nicht mehr sparen? Leider ist es wie so oft in der Politik: Was gestern noch galt, wird schnell vergessen, wenn es nicht mehr in den Kram passt oder das parteipolitische Süppchen zu versalzen droht - so kurz vor drei wichtigen Landtagswahlen."

Die mögliche Bedeutung der bevorstehenden Landtagswahlen für den Tarifstreit beleuchten auch die NÜRNBERGER NACHRICHTEN:

"Jene Sozialdemokraten, die sich am 26. März zur Wahl stellen, schielen offensichtlich auf die Stimmen der Gewerkschafter: Warum sonst melden sich der Mainzer Regierungschef Kurt Beck und die Stuttgarter SPD-Spitzenkandidatin Ute Vogt am lautesten zu Wort? Derartig durchschaubare Einlassungen sind alles andere als hilfreich. Und so lange die Union eine Schlichtung strikt ablehnt, wird der Streit weitergehen. So leistet sich Parteipolitik ein schäbiges Spiel auf dem Rücken der Beschäftigten."

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld meint, dass der Konflikt zudem auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger ausgetragen wird:

"Die von den Streiks betroffene Bevölkerung hat längst die Nase voll und kaum noch Verständnis für das Gerangel. Genau darauf setzt die CDU: Anstatt konstruktiv an einer für alle Parteien halbwegs befriedigende Lösung mitzuarbeiten, riskiert sie den ersten großen Koalitionskrach. Und die SPD markiert in den von ihr regierten Ländern den starken Mann. Eines zeigt der Konflikt: Die Beziehung ist längst nicht so stabil, wie sie gerne nach außen vorgibt."

Der Leitartikler der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG sieht den Konflikt vor dem Hintergrund der Föderalismusreform:

"Wenn die Tarifgemeinschaft der Länder bricht und die Länder die Besoldung für ihre Beamten jeweils eigenständig regeln, dann wird künftig die Devise bei den Auseinandersetzungen im öffentlichen Dienst so lauten: Jedes Land für sich und die Gewerkschaften gegen alle. Dem inneren Frieden im Land wird das nicht gut tun. Es ist also Zeit für eine Schlichtung im aktuellen Tarifkonflikt - und es ist noch Zeit dafür, die Fehler der Föderalismusreform zu korrigieren."


Themenwechsel. In der deutschen Pharmaindustrie zeichnet sich eine feindliche Übernahme ab. Der Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck will sich den Berliner Mitbewerber Schering einverleiben und dadurch zur nationalen Nummer Eins in der Branche avancieren. Der Fall Merck und das grassierende Fusionsfieber finden Beachtung in den Kommentaren der deutschen Tagespresse.

Die ABENDZEITUNG aus München hält die geplante Übernahme für sinnvoll:

"Ausgerechnet Merck, ein Familienunternehmen aus der zweiten Börsenliga, setzt zum ganz großen Sprung an, will es mit einer ambitionierten Fusion an die Welt-Spitze schaffen. Für die Pharma- Forschung in Deutschland ist die angekündigte Fusion eine gute Nachricht. Angesichts der geringen Größe deutscher Pharmafirmen hat das Ausland nämlich bisher nur müde gelächelt. Breit aufgestellte Konzerne wie der, der jetzt entstehen soll, können dagegen der internationalen Konkurrenz Paroli bieten. Und nur sie haben das nötige finanzielle Durchhaltevermögen, um neue Medikamente zu entwickeln."

Die Kommentator der Ulmer SÜDWEST PRESSE ist weniger euphorisch:

"Der Plan hat Charme: Merck schluckt Schering - und aus zwei mittelgroßen Pharmaunternehmen entsteht ein schlagkräftiger Konzern, der sich in der kapital- und forschungsintensiven Branche weltweit behaupten kann. Angesichts des Konzentrationsprozesses in anderen Ländern, wäre eine Konsolidierung der deutschen Branche dringend nötig. Bei näherem Betrachten ergeben sich aber gehörige Zweifel an dem Vorgehen. Denn Merck und Schering passen nicht zusammen. Der hochprofitable Darmstädter Mischkonzern verfügt über einen Bauchladen an Produkten und profitiert bisher noch vor allem von der Flüssigkristall-Produktion für Flachbildschirme. Überschneidungen in den Geschäftsfeldern mit Schering gibt es nur wenige. Da erstaunt es, wie Merck-Chef Michael Römer Kostensynergien von 500 Millionen Euro erzielen will."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU zieht einen gewagten Vergleich:

"Das Phänomen erinnert wegen seiner globalen Ausbreitung ein wenig an die Geflügelpest. Jedenfalls ist das Virus hoch ansteckend. Man könnte auch von einer Managergrippe reden. Wer von ihr befallen wird, gerät unter eine Art Kaufzwang, bei dem Geld kaum noch eine Rolle spielt. Begleitet wird das Fieber häufig von Allmachtsfantasien und Größenwahn. Dabei ist das Risiko für den Patienten relativ gering. Den Schaden haben im Zweifel andere die Beschäftigten, die Kunden, die Aktionäre, die Allgemeinheit zu tragen."

Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG aus Essen bezweifelt, dass die Beschäftigten zu den Leidtragenden gehören würden:

"Das Streben nach Größe ist ein verständlicher Reflex und es ist dann eine gelungene Strategie, wenn mit mehr Umsatz auch mehr Gewinn entsteht. (...) Und von einer gelungenen Fusion profitieren langfristig auch die Beschäftigten: Ihre Arbeitsplätze werden sicherer, wenn der eigene Arbeitgeber und nicht die Konkurrenz besonders wettbewerbsfähig ist."