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Pressestimmen von Dienstag, 13. September 2005

Arian Fariborz 12. September 2005

Israels Gaza-Abzug / Wahlkampfstrategie der CDU

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Der Abzug der letzten israelischen Soldaten aus dem Gazastreifen beschäftigt an diesem Dienstag die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen. Ein weiteres Thema ist die wachsende Kritik am Unions-Steuerexperten Paul Kirchhof und der Ruf vieler CDU-Politiker nach Friedrich Merz.

Israel hat am Montagmorgen die 38-jährige Besetzung des Gazastreifens beendet. Kurz nachdem der letzte Soldat gegangen war, brannten mehrere Synagogen. Hierzu bemerkt das HANDELSBLATT aus Düsseldorf:

"Das war vorauszusehen: Die israelische Regierung hat deshalb vor zwei Wochen beschlossen, vor dem Rückzug aus dem Gazastreifen die Synagogen zu zerstören,sobald die Siedler die Kultgegenstände entfernt hatten. Doch am Sonntag galten diese Argumente plötzlich nicht mehr. Jetzt brandmarkt Außenminister Silvan Schalom die Schändung der Synagogen von Gaza als 'barbarischen Akt'. Man muss sich da schon ein wenig wundern, denn derselbe Schalom hatte noch vor zwei Wochen der Zerstörung zugestimmt, weil er verhindern wollte, was nun eingetreten ist. Der Auftrag an Abbas, die Synagogen zu bewahren, war nichts anderes als Chuzpe."

Der BONNER GENERALANZEIGER kommentiert die Haltung der radikal-islamischen Hamas, die den israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen für sich als "Sieg" reklamiert:

"Anders als bei der überstürzten Räumung Südlibanons können sich die Radikalen auf der anderen Seite - damals Hisbollah, heute Hamas und Dschihad - nicht brüsten, den zionistischen Feind mit der Gewalt der Waffen zum Abzug genötigt zu haben. Ariel Scharon hat seinen Loslösungsplan durchgesetzt, wie er seine Pläne immer durchgesetzt hat: mit der ihm eigenen Sturheit. Tatsächlich ist es das erste Mal, dass Israel Boden aufgibt, den die Palästinenser für einen eigenen Staat beanspruchen. Der wirkliche unabhängige Staat Palästina, den es geben muss, ist mit dem Rückzug aus diesem Teil der besetzten Territorien vielleicht sogar ein wenig näher gerückt."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE beleuchtet das nach dem Rückzug entstandene Sicherheitsrisiko an der Grenze zum Gaza-Streifen:

"Tatsächlich wird noch lange Zeit vieles nicht normal sein. Schon gab es eine Schießerei im Grenzgebiet zwischen dem Gazastreifen und Ägypten, wo seit dem Wochenende 750 ägyptische Soldaten die Region gegen Waffenschmuggel und andere Konterbande sichern sollen. Auch Israel wird nicht zögern, seine Truppen wieder in das Gaza-Gebiet vorrücken zu lassen, falls es ein nicht zu kontrollierender Unruheherd bleiben sollte. Man muss dort jetzt eine vernünftige Infrastruktur schaffen und für eine funktionierende Verbindung zwischen Gaza und dem Westjordanland sorgen."

Themawechsel: Angesichts sinkender Umfragewerte für die Union fordern führende CDU-Politiker ein Comeback von Friedrich Merz. Dazu meint die AUGSBURGER ALLGEMEINE:

"Angela Merkel und Friedrich Merz reden neuerdings hemmungslos gut übereinander. Die Wiederannäherung ist in beider Interesse. Merz will zurück in die erste Reihe, Merkel kann ihn dringender denn je gebrauchen. Es gibt in der Union niemanden, der über die ökonomische Kompetenz und die rhetorische Brillanz eines Merz verfügt. Gerade im Wahlkampf ist deutlich geworden, dass die von ihm hinterlassene Lücke nicht gefüllt werden konnte. Der Stern von Merz strahlt umso heller, je rascher jener Paul Kirchhofs verblasst."

Ganz ähnlich das Fazit in den LÜBECKER NACHRICHTEN:

"Angela Merkel schafft es nicht - sie wird die neue K-Frage einfach nicht los. Fast schon panisch rudert das schwarz-gelbe Spitzenpersonal vom Verfassungsjuristen Paul Kirchhof weg, um nicht in den unheilvollen Sog des Visionärs zu geraten, der die Umfragekurve der Union steil nach unten reißt."

Dagegen lesen wir abschließend in der PFORZHEIMER ZEITUNG:

"Merkel hatte mit der Personalie Kirchhof Mut bewiesen. Sie präsentierte der Union endlich einen anerkannten Experten, der den unrühmlichen Abgang des steuer- und finanzpolitischen Hirns der Partei, Friedrich Merz, vergessen machen sollte. Sie machte klar, dass unter ihrer Ägide Anders- und Weiterdenkende einen Platz in der CDU erhalten sollen. Und ließ erkennen, dass für sie politische Ziele auch durchaus jenseits des eigenen Parteiprogrammes formuliert werden können."