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Pressestimmen von Dienstag, 06. April 2004

Barbara Zwirner5. April 2004

Lage im Irak / Affäre Welteke

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In der deutschen Tagespresse richten die Kommentatoren ihr Augenmerk an diesem Dienstag vor allem auf die Lage im Irak. Auch die Affäre um den Bundesbankpräsidenten Ernst Welteke findet erneut Aufmerksamkeit.

Im OFFENBURGER TAGEBLATT lesen wir:

"Die Lage im Irak wird für die USA immer prekärer. Gerade mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im November ist damit zu rechnen, dass die Gewaltbereitschaft im Mittleren Osten weiter zunimmt. Die Iraker möchten die Abwahl von George W. Bush. Vielleicht zieht sich ein neuer Präsident aus dem Irak zurück? Deshalb wollen die Iraker den USA ein zweites Vietnam bereiten. Denn vor nichts graust es der Öffentlichkeit und den Bürgern in den USA mehr, als vor einem Fiasko á la Vietnam. Dort erlitten die Vereinigten Staaten ihre erste und einzige militärisch dauerhafte Niederlage."

Der MANNHEIMER MORGEN schreibt:

"In den USA, aber auch international setzt sich die Erkenntnis durch, dass auch die letzte globale Supermacht die Stabilisierung des Irak nicht allein meistern kann. Die Amerikaner brauchen Hilfe, doch wie diese aussehen soll, ist unklar. In Anbetracht der Sicherheitsrisiken drängt sich niemand, Truppen für eine internationale Mission unter UN-Mandat zur Verfügung zu stellen. Ratlos versuchen die Amerikaner seit Wochen, den Irakern immer mehr Verantwortung zu übertragen. Doch hat sich gerade in den letzten Tagen gezeigt, dass deren Sicherheitskräfte noch weniger in der Lage sind, das Land zu stabilisieren."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder meint:

"Gescheitert ist schon jetzt der Plan, dem Irak ein westliches System zu implantieren. Nach den Vorstellungen von Vizepräsident Cheney, Vizeverteidigungsminister Wolfowitz und Sicherheitsberaterin Rice sollte damit eine Art Dominoeffekt erreicht werden. Erst fällt Irak, dann Iran, schließlich Syrien und vielleicht auch Saudi-Arabien der gesamte Nahe und Mittlere Osten geformt nach den Vorstellungen der Vereinigten Staaten. Völlig falsch eingeschätzt wurden dabei die politischen, wirtschaftlichen, religiösen und kulturellen Gegebenheiten im Irak."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kommentiert:

"Die scheußlichen Ausschreitungen in Falludscha weisen auf eine weitere Dimension hin, die über Irak hinausreicht. Die Schändung von vier Angehörigen einer privaten US-Sicherheitsfirma, die militärische Aufgaben wahrnimmt, wurde in einigen regionalen Zeitungen als Rache für die Exekution Scheich Yassins durch Israel ausgegeben. Wenn die Konflikte in Palästina und Irak verschmelzen, hat Bushs Irak-Invasion erreicht, was sie nicht wollte: Chaos in Mesopotamien und bald einen Aufstand in der ganzen Region."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG beschäftigt der Fall Welteke:

"Die Affäre Welteke erregt zu Recht die Gemüter. Ernst Welteke, Präsident der Bundesbank, hat sich und Teilen seiner Familie zu Silvester 2001 einen Aufenthalt im Berliner Adlon-Hotel bezahlen lassen. Für vier Tage schlug das mit 7661 Euro zu Buche. Die Rechnung übernahm die Dresdner Bank, weil die eine Euro-Einführungsparty gab und Welteke neben Finanzminister Hans Eichel als Top-Prominenten vorzeigen wollte. Nun ist Welteke nicht eingeladen worden, weil er ein netter Mensch ist, sondern eben als Präsident der Bundesbank. Stuft man in diesem Sinne den PR-Event der Dresdener als Dienstgeschäft ein, hätte die Bundesbank den Aufenthalt ihres Chefs in Berlin auch bezahlen müssen - zumal Welteke ein politischer Beamter ist. Auch wenn die Bundesbank aufgrund ihrer Aufgaben eine von den Weisungen des Bundes unabhängige Institution ist, müssen für ihre acht Vorständler, die je zur Hälfte von Bundesregierung und Bundesrat berufen werden, juristisch wie moralisch die selben Regeln gelten wie für andere Beamte auch."

Und die WETZLARRER NEUE ZEITUNG resümiert:

"So instinktlos wie der Geldtransfer selbst ist die nachträgliche Aufarbeitung. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Bundesbank im Nachhinein einen Teil der Suite-Kosten übernehmen will. Niemand hat Welteke gezwungen, in die Suite zu ziehen. Er hätte ein gewöhnliches Hotelzimmer buchen können, und dafür hätte die Bundesbank auch aufkommen müssen. Alles, was darüber hinaus geht, ist Weltekes Privatsache."

Abschließend ein Blick in den Bonner GENERAL-ANZEIGER:

"Jetzt ist es zu spät. Der untadelige Ruf des Bundesbankpräsidenten ist beschädigt. Die Konsequenzen werden nicht nur beamtenrechtlich zu prüfen sein. Auch Welteke selbst wird darüber nachzudenken haben, ob er in einem öffentlichen Amt bleiben kann, das seinem Inhaber in Geldangelegenheiten äußerste Korrektheit abverlangt."