1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Presseschau von Mittwoch, 16. Oktober 2002

zusammengestellt von Helmut Schmitz18. Oktober 2002

Koalitionsvereinbarungen/Deutsch-französisches Treffen

https://p.dw.com/p/2kp3

Herausragendes Thema der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen ist auch an diesem Mittwoch die Koalitionsvereinbarung, auf die sich SPD und Grüne verständigt haben. Kommentiert wird auch das Treffen von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem französischen Staatspräsidenten Jacques Cirac in Paris.

Zunächst zur Koalitionsvereinbarung:

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt:

'Dies ist nicht mehr und nicht weniger als ein traditionell -das heißt: aus Wahrheit und Hoffnung- komponiertes Stück politischer Rollenprosa. Es ist nicht verlogener als frühere Koalitionsverträge. Nur: Die Zeiten sind schlechter, und wer in schlechten Zeiten eine Wahl gewinnt, hat eine besonders große Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu schließen. Zur Deckung kommt beides substanziell nur noch am Punkte Kinderbetreuung. Der Rest ist Management des Mangels, sind Maßnahmen, die sich allenfalls auf der Einnahmenseite als Fortschritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit interpretieren lassen.'

In der SAARBRÜCKER ZEITUNG heißt es:

'Börsenkrise, schwache Weltkonjunktur und der drohende Krieg im Irak dämpfen zudem vage Hoffnungen auf ein Ende der Malaise. Dadurch ist der Aufbruch in die zweite Periode rot-grüner Regierungs- Verantwortung fraglos von negativen Begleitumständen geprägt, aber eben auch von eher zaghaften Reformschritten, die nicht unbedingt darauf hindeuten, dass Schröders Kabinett seine zweite Chance besser zu nutzen weiß als die erste. Denn die ist beinahe verspielt worden.'

Der BERLINER KURIER meint:

'Wenn heute die berühmte Sonntagsfrage von Meinungsforschern gestellt würde, sähe Rot-Grün wahrscheinlich ziemlich blass aus. Unverhohlen verkaufen uns die Koalitionäre ihr verkapptes Steuer- Erhöhungsprogramm als Sparwunder. Wer bitte, soll darauf hereinfallen? Es ist eine leider bekannte Geschichte. Milliarden- Löcher im Haushalt zahlt zum Schluss der Wähler. Gesagt hat ihm das vor dem Urnengang natürlich keiner. Man will ja niemanden verprellen. Erst einmal wieder im Amt sieht die Welt dann wieder ganz anders aus.'

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN betonen:

'Des Kanzlers neue Kleider: Mag Schröder sich noch so selbstgefällig vor seinem Wahlvolk drehen und wenden - die Bürger sehen, dass dieser Kanzler von seinem eigenen Programm bloßgestellt worden ist. Statt mehr Freiräume für Kreativität und Leistungsbereitschaft zu schaffen, greift die Bundesregierung den Bürgern und Unternehmen unter dem Vorwand des sozialen Ausgleichs ungeniert wie tief in die Tasche und belastet Arbeit und Leistung. Ein gedemütigter Finanzminister nimmt Abschied vom bisherigen Sparkurs. Und obendrein wird dann auch noch - gemeinsam mit Paris - der europäische Stabilitätspakt sturmreif geschossen. So also sieht Deutschland am Ende dieser Koalitionsgespräche aus. Eine Republik der leeren Versprechungen und der leeren Kassen.'

Die Münchener SÜDDEUTSCHE ZEITUNG widmet sich der Europa-Politik Schröders und Chiracs:

'Offensichtlich versucht der Kanzler seinen Pariser Neufreund durch euroschädliche Sprüche zu gewinnen. Mit kluger Verhandlungstaktik hat das nichts zu tun. Da bahnt sich eine entente terrible an, ein Deal zu Lasten Dritter. Unter heftigem Nicken Chiracs verkündet Schöder, er wolle den Stabilitätspakt 'flexibel' auslegen. Die anderen Euro-Mitglieder befürchten Übles: Hier wollen zwei nicht mehr sparen, hier gefährden zwei die Stabilität der jungen Währung. Von Frankreich wusste man dies bereits. Mischt sich auch Deutschland unter die Sünder, wie die Koalitionsverhandlungen nahe legen, droht dem Euro Unheil.'

Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE beleuchtet das Treffen zwischen Schröder und Chirac in Paris:

''Sans reserves' - ohne Einschränkungen unterstütze er die Ausführungen des Bundeskanzlers, sagte der französische Staatspräsident, als Schröder in Paris ankündigte, Deutschland werde den Stabilitätspakt 'flexibel' interpretieren. Chiracs Genugtuung ist verständlich: Mit der Aufweichung dieses Pakts, den die deutsche Politik als Preis für die Währungsunion gefordert und durchgesetzt hatte, hat Paris ein seither verfolgtes Ziel erreicht. (...) Außer diesem gemeinsamen Sündenfall hat das Pariser Treffen gar nichts gebracht: Alle zwischen Frankreich und Deutschland strittigen Themen (Dreh- und Angelpunkt bleibt die Agrarpolitik) sind weiterhin offen, ihre Lösung ist vorerst vertagt - zum x-ten Male.'