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Presseschau von Mittwoch, 11.Dezember

Reinhard Kleber17. Dezember 2002

Mutmaßungen über Kanzler-Drohung / Tag der Menschenrechte

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Dominierendes Thema der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen sind die Spekulationen über eine angebliche Rücktrittsdrohung von Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Die Tageszeitung DIE WELT aus Berlin schreibt zu Schröders Verhalten:

"Sein Wiederwahltriumph liegt gerade zweieinhalb Monate zurück, aber auch bei zurückhaltender Zählung ist Gerhard Schröder inzwischen bei Machtwort Nummer vier angelangt. Viele solcher Auftritte können nun nicht mehr folgen. Was für eine Talfahrt. Vor allem aber ist Gerhard Schröder mit seiner verletzten, verkappten Rücktrittsdrohung an einem sehr einsamen Punkt angelangt. Ich habe die Wahl gewonnen, nicht ihr - so lautet seine Ansage an die auseinander laufende Partei, den bockenden Koalitionspartner und die offen rebellierenden SPD-Landesfürsten. Recht hat er damit, gewiss. (...) Aber solchermaßen Recht zu haben macht den Kanzler einsam, weil er damit der SPD ihre eigene Schwäche auf Müntefering-Niveau geradezu demütigend vorhält."

Zu Schröders neuem Machtwort meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Er hat seinen eigenen Leuten ein paar mal zu oft gesagt, dass sie ohne ihn nicht noch einmal gewonnen hätten. Zwar stimmt dies vermutlich, aber gleichzeitig desavouiert diese Aussage alle anderen als zweitklassig. Dasselbe trifft für Schröders Satz zu, wenn einer glaubt, er könne es besser als er, dann soll er es doch machen. Gewiss, dies kann als eine Rücktrittsdrohung verstanden werden. Viel schärfer und verletzender aber ist die andere Botschaft dieses Orginaltons Schröder. Sie lautet: Vor mir habt ihr immer verloren; wenn ich gehe, werdet ihr nicht gewinnen. Ein Kommandeur, der die Schwäche seiner Truppe bloßstellt muss sich nicht wundern, wenn sich in ihr die Meuterer zusammenrotten."

Auch der TAGESSPIEGEL aus Berlin spricht von unübersehbaren Krisenzeichen und führt aus:

"Um es etwas überspitzt und in einer Sprache zu sagen, die den herrschenden 68ern verständlich ist: Die revolutionäre Situation ist da. Das eben ist das Elend mit dieser Generation. Sie haben so gründlich umgedacht, wollen so sehr das Gegenteil sein von dem, was sie früher einmal waren, dass die Revolutionäre von gestern drauf und dran sind, die revolutionäre Gelegenheit zu verpassen. Das wäre dann zwar hübsch ironisch, würde Fischer und Schröder aber alsbald von der Bühne fegen."

In der SAARBRÜCKER ZEITUNG lesen wir:

"Es wäre verfrüht, von einer Kanzlerdämmerung zu sprechen. Aber offenbar dämmert es dem Kanzler: So kann es nicht weiter gehen. Vor und zurück, hü und hott, wie es gerade opportun scheint. Natürlich will Schröder nichts davon wissen, dass er die beklagte Kakophonie in der Koalition selbst komponiert hat, und deshalb nimmt er sich das Recht des Chefs heraus: Er schlägt verbal auf den Tisch und ruft die Seinen zur Ordnung. Auch wenn er seine Gardinenpredigt im SPD-Vorstand nicht als Rücktrittsdrohung verstanden wissen will: Es klang aber so. Und genau dies wollte er auch bezwecken."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE lenkt den Blick auf den Konflikt zwischen SPD-Spitzenpolitikern und Schröder bei der Vermögenssteuer:

"Vor allem Müntefering und Gabriel können, da die SPD von ihrem Ausflug in die «neue Mitte» nicht mehr viel wissen will, der Versuchung nicht widerstehen, das Heil wieder im Klassenkampf zu suchen: Sollen doch die «Vermögenden» dafür zahlen, dass die Kinder der Ausgebeuteten (tatsächlich: durch den Staat) erzogen und ausgebildet werden können (natürlich: wieder durch den Staat). Gabriel will seine Wahl denn auch nicht mit der von Schröder gefürchteten Steuererhöhungsdebatte gewinnen, sondern mit einem Umverteilungsversprechen. So schnell kann selbst Schröder nicht nach links rücken, als dass sein Nachfolger in Hannover (und Verfolger in Berlin) ihm nicht voraus wäre."

Abschließend zitieren wir den FRÄNKISCHEN TAG aus Bamberg zum Internationalen Tag der Menschenrechte:

"Die Millenniums-Erklärung aller UN-Mitglieder vom September 2000 wurde als heiliges Versprechen gefeiert, dass die Staatengemeinschaft gewillt sei, schnell eine Wende zu schaffen. Die Vereinten Nationen als oberste Hüter der Menschenrechte hatten Krieg, Armut und Krankheit als die Grundübel benannt, die Menschen unfrei, perspektivlos und somit radikal machen. UN-Chef Kofi Annan wird nicht müde zu betonen, die Wahrung der Menschenrechte sei Garantie für Sicherheit und Freiheit, doch gleichzeitig geißelt er die zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber den Entwicklungszielen aus der Millenniums-Erklärung."