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Presseschau von Freitag, 31. Januar 2003

Siegfried Scheithauer 30. Januar 2003

Die Europäer und der Irak-Krieg

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Dominierendes Thema der Meinungsmacher der deutschen Tagespresse ist der Appell acht europäischer Staats- und Regierungschefs zur Unterstützung der Irak-Politik der USA.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG klagt:

"Es ist schon paradox: Während Umfragen belegen, wie einhellig Europas Bürger den drohenden High-Tech-Krieg gegen Saddam ablehnen, sind ihre Führer unfähig, irgendwo zwischen billigem Populismus und teuerer Pflicht zum Bündnis mit Amerika noch genügend Gemeinsamkeiten zu entdecken. Das entwertet, ganz nebenbei, vorerst alle Versuche, mittels einer europäischen Verfassung in Brüssel demnächst einen Rahmen für eine stärkere gemeinsame Außenpolitik zu zimmern. Wo der politische Wille fehlt, können auch noch so schöne Gehäuse nicht weiterhelfen."

Ähnlich die BERLINER ZEITUNG:

"...Wenn es ernst wird - und welche Frage wäre ernster als die nach Krieg und Frieden? -, dann präsentiert sich Europa hilflos. Dann gibt es keine europäische Haltung, keine europäische Stimme, weder in der EU noch in der Nato. Die Erklärung der acht ist insofern ein Dokument des Scheiterns."

Die HEILBRONNER STIMME beschreibt die Fronten so:

"In Washington wird man sich die Hände reiben, in Berlin und Paris dürften die Beißhölzer knapp werden. Jetzt steht also die 'Achse der acht Mutigen' gegen eine 'Achse der zwei Memmen'. Ausgerechnet der Streit um einen Golf-Diktator bildet die neue Grenzscheide in Europa. Der transatlantische Treueschwur mit den USA erzeugt einen Graben, in dem die gemeinsame Euro-Außenpolitik verschwindet, an der doch angeblich alle arbeiten. Eine groteske Entwicklung."

Die Zeitung DIE WELT kritisiert die Haltung der Bundesregierung und das strikte Nein von Kanzler Schröder gegen einen Krieg:

"Die Erklärung von London ist der verzweifelte Versuch, der von Deutschland betriebenen Polarisierung entgegenzutreten. Es ist ein deutliches Stoppsignal in Richtung einer deutschen Regierung, die seit sechs Monaten den Irak-Konflikt für innenpolitische Spiele benutzt. Unser Kanzler gibt vor, ihn in Richtung Irak zu deeskalieren. Faktisch jedoch eskaliert er ihn - in Richtung USA."

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf schlägt in die gleiche Kerbe:

"Welch eine Blamage für Bundeskanzler Gerhard Schröder... Die acht Unterzeichner haben ihn bewußt ausgegrenzt. In dieser prekären Lage kann es für ihn nur ein schwacher Trost sein, dass Tony Blair und Co. auch Frankreichs Präsidenten Jacques Chirac in die Ecke gestellt haben."

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock hat hingegen die acht EU-Führer als Spalter ausgemacht:

"Die Außenpolitik der Europäer gleicht in der Irak-Frage einer Achterbahn-Fahrt. Die Mahnungen der EU-Außenminister, die Lunte vom Pulverfass fernzuhalten, sind kaum verhallt, da fallen acht Regierungschefs der zur Schau gestellten Eintracht in den Rücken und fordern den engen Schulterschluss mit Amerika. (...) Brüssels verschnupfte Reaktion auf den Vorstoß und die Attacke des Chef-Außenpolitikers des EU-Parlamentes, Elmar Brok, der einen 'Wettlauf der Vasallen' ausgemacht hat, vervollkommnen das trostlose Bild europäischer Außenpolitik."

Auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU verurteilt den offenen Brief der acht:

"Es mag ja von einigen gut gemeint gewesen sein. Aber der Schaden, den sie angerichtet haben, ist beträchtlich. Anstatt die im Zusammenhang mit Irak entstandenen Risse in der transatlantischen Brücke zu reparieren, demolieren acht Regierungschefs aus Europa nun deren europäischen Pfeiler.(...) Die Erklärung der Acht ist ein Dokument der Spaltung."

Für die HAMBURGER MORGENPOST riecht es gar nach Komplott:

"Heimliche Töne vom EU-Rand. Acht Spalter. Acht europäische Regierungschefs von der Peripherie der EU, aber natürlich mit Großbritanniens Blair und Italiens Berlusconi, haben heimlich eine Erklärung verfasst, aus der es zwar nach Nibelungentreue zu den Vereinigten Staaten riecht, der aber zur Not auch die nicht konsultierten Staatsmänner Schröder und Chirac hätten zustimmen können."

Zum Abschluss sei der KÖLNER STADT-ANZEIGER zitiert. Er fällt ein vernichtendes Urteil:

"Nun haben sich die Europäer endgültig in die Rolle des außenpolitischen Zwergentums manövriert. Die Aktion der acht Regierungschefs, per öffentlichem Bekenntnis die Solidarität mit den USA zur Schau zu stellen, ist eine ziemlich ungenießbare Mischung aus Liebedienerei, Naivität und Machtkalkül".

Soweit diese Presseschau.