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Presseschau von Donnerstag, 5.Dezember

Bernhard Schatz4. Dezember 2002

Haushaltsdebatte-Bundestag

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Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse befassen sich am Donnerstag fast ausschliesslich mit der Generalaussprache über den Kanzler-Etat - traditioneller Anlass zu einem umfassenden Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition.

Dazu die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'Den Fehler, sich in all der aktuellen Hysterie eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede aufschwatzen zu lassen, hat der Kanzler nicht gemacht. Das würde, so weit kann man ihm folgen, der wirklichen Lage des Landes auch nicht gerecht. Eine andere Frage aber ist, ob beide politischen Lager diese wirkliche Lage noch richtig wahrnehmen. Der Überzeichnung der Krise durch die Opposition steht eine Regierung gegenüber, die trotzig-buchhalterisch ihren eigenen, gemächlichen Fahrplan verteidigt, die Ideensuche in Regierungskommissionen verlagert und damit eine geistige Führungsrolle erst einmal hartnäckig verweigert. Das war und bleibt Gerhard Schröders Politikmodell.'

Wenig Positives kommt auch von den STUTTGARTER NACHRICHTEN:

'Gewiss ist es die Pflicht zuallererst der Regierung, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen, die Rentenkassen zu sanieren, Wachstumsimpulse zu fördern. Aber die Opposition ließ eine günstige Chance ungenutzt, die Öffentlichkeit vollends davon zu überzeugen, dass sie es besser könnte als die Koalition. So bleibt nach der Generalabrechnung im Bundestag ein zwiespältiger Eindruck haften. Der Kanzler vermochte zwar, persönliche Verunglimpfungen zurückzuweisen und dem eigenen Lager Mut zu machen. Aber von einem reformerischen Aufbruch waren allenfalls Ansätze zu vernehmen. Die Union hatte außer Streitlust auch nichts zu bieten. Das ist zu wenig, um so kurz nach einer verlorenen Wahl einen neuen Machtanspruch zu begründen.'

Ähnlich sieht es auch das in Baden-Baden erscheinende BADISCHE TAGBLATT:

'Es war die Körpersprache, die verriet, wie sehr der Kanzler unter der vernichtenden Kritik der jüngsten Vergangenheit gelitten hat und ganz offensichtlich immer noch leidet. Fast schien es so, als wolle Gerhard Schröder via Fernsehen persönlich in die Wohnstuben aller Deutschen vordringen, um dort klarzumachen: Ja, ich habe verstanden, wir werden zusammenrücken und die Probleme gemeinsam anpacken. Und dies alles sozial gerecht. Ob er dort indes willkommen wäre, ist mehr als ungewiss. Die Fakten über den Niedergang Deutschlands sprechen eine zu deutliche Sprache: Die Konjunktur? Weggebrochen. Steuereinnahmen? Dito. Die Sozialsysteme? Ohne harte Reformen unfinanzierbar. Und der Haushalt? Ein Milliardenloch von ungeahnter Tiefe.'

Die NORDSEE-ZEITUNG in Bremerhaven sieht es so:

'Der merklich angefasst wirkende Kanzler nutzte seine Rede in erster Linie zu einer Abrechnung mit der Unions-Opposition. Ob es klug war, sich derart beleidigt zu geben und sich gegen persönliche Diffamierungen zu verwahren, ist fraglich. Souverän wirkte es nicht. Einen ausgebrannten Eindruck hinterließ er bereits in den vergangenen Wochen so auch gestern im Bundestag. Erwartet wurde eine Rede, die die wenig überzeugende Regierungserklärung vergessen lassen sollte. Trotz des lang anhaltenden Applauses muss auch den SPD-Parlamentariern klar geworden sein, dass dies misslungen ist.'

In den BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe lesen wir:

'Was bleibt nach dem Debattentag über den Kanzler-Etat, der früher als 'Elefantenduell' hohe Erwartungen erfüllte? Die Erkenntnis, dass es in der deutschen Politik keine 'Elefanten' mehr gibt, keine herausragenden Persönlichkeiten mit politischen Visionen. Freund-Feind-Blöcke stehen sich hämisch und höhnisch gegenüber. Es herrscht Stagnation auf ziemlich niedrigem Niveau.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München befasst sich mit dem aussenpolitischen Teil der Kanzler-Rede und kommentiert:

'Beeindruckt hat er die eigene Fraktion durch die Inbrunst seines Vortrags, und beeindruckt hat er in den außenpolitischen Teilen seiner Rede auch die CDU/CSU-Opposition: Als Schröder die Kontinuität seiner Türkei-Politik zu den Vorgaben und Leitlinien der Regierung Kohl nachwies - CDU wie CSU haben sich noch im Jahr 1997 positiv zu einem EU-Beitritt der Türkei geäußert - sah man in den Reihen der Union betretene Gesichter. Der Vorwurf des Kanzlers, die Union orientiere ihre Politik derzeit nur noch an den Landtagswahlkämpfen in Hessen und Niedersachsen, war so zumindest in diesem Punkt exemplifiziert. Angela Merkel wusste zu erwidern, dass hier wohl in der Vergangenheit 'zu wenig Ehrlichkeit' geherrscht habe. Ist das nun auch ein Fall für den 'Lügen-Untersuchungsauschuss', diesmal gegen Kohl und Co, also an die eigene Adresse?