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Presseschau von Donnerstag, 16. Januar

zusammengestellt von Herbert Peckmann15. Januar 2003

Deutsch-französiche EU-Initiative vorgestellt/ Weitere Islamisten-Organisation verboten

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Die Initiative von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac zur Reform der EU-Spitze und mehrerer Institutionen steht im Mittelpunkt der deutschen Zeitungskommentare an diesem Donnerstag. Ein weiteres Thema ist das Verbot einer weiteren Islamisten-Organisation in Deutschland.

Zur deutsch-französichen Initiative zur Reform der EU-Institutionen schreibt die Zeitung DIE WELT:

"Vieles von dem, was Jacques Chirac und Gerhard Schröder beim Arbeitsessen in Paris zwischen Elysée-Vertrag-Feiern und Irak-Krise in Sachen Europa ausgeheckt haben, macht Sinn. Das Europäische Parlament wird gestärkt, das neu zu schaffende Amt des Europaratspräsidenten soll nach dem Willen der beiden Politiker eine Regentschaft von zweieinhalb bis zu fünf Jahren Dauer sein. Das mögen die kleineren EU-Mitglieder kritisieren, da damit der 'Wanderzirkus' einer halbjährigen Rotation der Ratspräsidentschaft wegfiele und sie um ihren Einfluss fürchten."

Skeptischer gibt sich die Berliner B.Z.:

"Wenn größer immer besser wäre, hätte die EU nichts zu befürchten. Aber der Erweiterung entspricht nicht die 'Vertiefung', das heißt überschaubares Management der Union. ... Die Regierungen sollen einen Rats-Präsidenten wählen, das Europa-Parlament einen Kommissionspräsidenten. Im besten Fall ist die Machtverteilung klar: die beiden wissen, was ihnen zukommt und was nicht. Im schlimmsten Fall verbrauchen sie sich im Kampf um Kompetenzen."

Ähnlich sieht es die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND. Dort heißt es:

"Der interessante Plan, den Ratspräsidenten von einer Mehrheit der Staats- und Regierungschefs wählen zu lassen, würde das Wesen des Amtes wie des Rates verändern. Der Klub von Staatenvertretern, der sich latent noch immer als ständige internationale Konferenz versteht, würde zur Versammlung, in der die mehrheitsfähigsten um den Vorsitz kämpfen. Die Politik der Kandidaten träte in den Vordergrund. .... Die größte Schwachstelle des Vorschlags bleibt die Gefahr, dass das Nebeneinander von Rats- und Kommissionspräsident in einen Dauerclinch der Apparate ausartet ... ."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sieht sogar Parallelen zu kirchlichen Strukturen:

"Berlin und Paris schaffen einen Zwitter, der gleichzeitig zwei Herren dienen soll, der Kommission und dem Ministerrat. Das vom Kanzler gern zitierte Bild eines 'Doppelhuts' nährt den Verdacht, dass hier eine Kreatur nach dem Vorbild eines katholischen Bischofs gezeugt wird: Auf dem Kopf ein violettes Käppchen im Namen der Kommission, das aber allzeit verdeckt und beherrscht wird von einem großen, breitkrempigen Hut als Signum des Ministerrats."

Dagegen weist der deutsch-französische Vorschlag für die FRANKFURTER RUNDSCHAU in die richtige, nämlich demokratisierende Richtung. Das Blatt schreibt:

" Natürlich schulden Chirac und Schröder der europäischen Öffentlichkeit noch eine detaillierte Beschreibung der Zuständigkeiten und der Macht des zukünftigen Präsidenten des Europäischen Rates. Eines allerdings kann heute schon gesagt werden: Dass man sich auf die Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Europäische Parlament geeinigt hat, bedeutet eine erhebliche Aufwertung der gemeinsamen Volksvertretung. Und eine Höherstufung der Kommission, die auf eine neue, demokratische Legitimationsbasis gestellt wird."

Themenwechsel. Der NORDKURIER aus Neubrandenburg kommentiert das Verbot einer weiteren Islamisten-Organisation in Deutschland:

"Otto Eisenhart hat erneut zugeschlagen. Mit seiner Aktion gegen die Gruppierung Hizb ut-Tahrir hat Bundesinnenminister Schily ... zum dritten Mal in nur etwas mehr als einem Jahr zur großen Keule des Verbots einer islamistischen Organisation gegriffen. Die Handhabe hierfür bietet das als Reaktion auf die Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 verabschiedete Anti-Terror-Paket mit seinem veränderten Vereinsgesetz. ... Doch genau hier beginnt zugleich das Dilemma: In der Gefahr nämlich, dass der entsprechende Gesetzesartikel sich zu einer Art Maulkorb-Erlass entwickelt, um missliebige Gedanken und Meinungen zu unterdrücken statt sich mit ihnen argumentativ auseinanderzusetzen."

Schließlich noch die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN, die die Entscheidung positiv bewerten:

"Dass Schily richtig gehandelt hat, zeigt ein Blick über die deutschen Grenzen: Selbst in den meisten Ländern der arabischen Welt und in Zentralasien, wo sie Zigtausende von Anhängern hat, ist die «Partei der Befreiung» bereits verboten. Sie ruft zur Vernichtung Israels auf und zum Mord an Juden, sie träumt von einer moslemischen Weltherrschaft und der Wiedereinführung der Scharia - Gründe genug, sie auch in Deutschland zu stoppen."