1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Irans Polit-Theater

5. April 2007

Die Freude über die Freilassung der 15 britischen Geiseln im Irak war groß. Ein Blick in die internationale Presse zeigt, wie bedeutsam die Nachricht über das konkrete Ereignis hinaus war.

https://p.dw.com/p/AD4O
Themenbild Presseschau

"Salzburger Nachrichten": Risiko der Eskalation war zu groß

"Ahmadinedschad einmal anders. Der innenpolitisch schwer angeschlagene Präsident konnte einen dringend nötigen Punktesieg feiern. Gelungen ist, was seit einigen Tagen das Ziel beider Seiten war: die Freilassung der von iranischen Hardlinern geschnappten Briten ohne Gesichtsverlust der Beteiligten. Weder musste sich der britische Premier Tony Blair für angebliche Grenzverletzungen entschuldigen, noch das Regime in Teheran großmäuligen Drohungen unterordnen. Das Risiko einer Eskalation erschien den einen wie den anderen zu groß. Das ist für den Rest der Welt eine höchst beruhigende Erfahrung."

"Daily Telegraph" aus London: Iran nun noch unversöhnlicher

"Der iranische Präsident ist im Westen zu Recht dämonisiert worden für seinen Aufruf zur Zerstörung Israels und sein Atomwaffenprogramm unter Missachtung der UN. Doch gestern war er in der Lage, sich als moralisch überlegen darzustellen und die (britische) Regierung zu rügen. (...) Das lässt nichts Gutes ahnen für die Beziehungen des Westens mit Teheran bei einer Reihe von sehr komplizierten Problemen in den kommenden Monaten: Seine Missachtung von UN-Sanktionen, die wegen der Weigerung, die Urananreicherung zu stoppen, verhängt wurden; seine verstärkte Einmischung im Irak; und seine fortgesetzte Unterstützung für terroristische Bewegungen. In der jüngsten Krise hat der Iran bei diesen Themen kein bisschen nachgegeben. Vielmehr dürfte ihn die Zustimmung, die er von der islamischen 'Straße' für die Demütigung eines alten Feindes erfahren hat, noch unversöhnlicher machen."

"Basler Zeitung": Präsident Ahmadinedschads Polit-Theater

"Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist der ungekrönte König des tragikomischen Polit-Theaters. Die Art und Weise, in der er die Freilassung der 15 festgehaltenen britischen Seesoldaten bekannt gab, war ebenso grotesk wie meisterlich. (...) Hat Iran also nachgegeben angesichts der empörten Reaktion der Welt? Knickte Teheran ein aus Angst vor einer vielleicht drohenden Befreiungsaktion durch Briten und Amerikaner? Mitnichten. Das iranische Regime hat - zumindest nach außen hin - ein weiteres Mal klug gepokert und politisch seinen Stich gemacht."

"La Repubblica" aus Rom: Ein Medien-Coup, der seine Wirkung nicht verfehlt

"Die 'Krise der Seeleute' endet mit einem Handschlag zwischen dem iranischen Präsidenten und den gefangen genommenen britischen Marineangehörigen (...), die vor laufenden TV-Kameras live freigelassen wurden. Ein Medien-Coup, der seine Wirkung für Ahmadinedschad nicht verfehlt. Der definiert die Freilassung als 'Geschenk ans britische Volk'. Gesten und Worte, die es dem Präsidenten erlauben, sich dem Westen und der islamischen Welt als vernünftiger Mann zu präsentieren, der gleichzeitig seinen Prinzipien treu bleibt. Tatsächlich ist die Bilanz dieser kleinen Seeschlacht, die sich zwischen den Ufern der Schatt el Arab und denen der Themse abgespielt hat und die Regierungen der halben Welt beschäftigt hat, aber viel komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheint."

"Il Messaggero" aus Rom: Es hat sicher eine Gegenleistung gegeben

"Die Freilassung der britischen Seeleute wird die Beziehungen mit Teheran sicherlich entspannen. Aber die jüngsten Ereignisse ließen schon darauf schließen, dass es eine diplomatische Lösung in der Angelegenheit geben würde. Wir wissen noch nicht, welche Gegenleistung die Regierung in London akzeptiert hat, aber es hat sicher eine Gegenleistung gegeben. Und es wäre auch nicht verwunderlich, wenn es einen Gefangenenaustausch geben würde. Dessen Zeitplan wäre dann aber so gewählt, dass London und Washington ihr Prinzip, ein 'Qui pro quo' nicht akzeptieren zu wollen, aufrecht erhalten können. (...) Auf jeden Fall gibt es keinen Grund, schockiert zu sein: In Konflikten hat es den Austausch von Gefangenen schon immer gegeben, ob es sich dabei nun um Soldaten oder Journalisten handelt."

"La Croix" aus Paris: Ahmadinedschad kann den großen Herrn spielen

"Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad kann also auch in diesem Fall wieder den großen Herrn spielen, so wie unlängst bei der Freilassung des Franzosen Stephane Lherbier und des Deutschen Donald Klein nach 15 Monaten im Gefängnis. London hat die überraschende Ankündigung des Iraners 'begrüßen' müssen, der amerikanische Präsident Georg W. Bush ebenfalls. Sich öffentlich über die Freilassung der britischen Marinesoldaten zu freuen und die so passend für diese Gelegenheit gedrehten Bilder zu verbreiten, das heißt, dem iranischen Präsidenten Macht zuzugestehen. Eine Macht, die Schaden anrichtet, woran, offen gesagt, niemand wirklich zweifelt." (kas)